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Berliner Testament – Der Überlebende ist nicht beschwert oder beschränkt – Bindungswirkung für den Überlebenden?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Düsseldorf – Beschluss vom 20.04.2018 – I-3 Wx 202/17

  • Berliner Testament erzeugt Bindungswirkung
  • Zeitlich späteres Einzeltestament ist unwirksam
  • Anwalt kann sich auf Zeugnisverweigerungsrecht berufen

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein überlebender Ehepartner nach dem Eintritt des ersten Erbfalls einen vom gemeinsamen Testament abweichenden letzten Willen verfassen kann.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar am 15.12.2004 ein gemeinsames Testament errichtet.

In diesem Testament hatten sich die Eheleute zunächst gegenseitig als Erben eingesetzt. Nach dieser Anordnung der gegenseitigen Erbeinsetzung nahmen die Eheleute folgende Bestimmung in ihr Testament auf:

„Der Überlebende von uns ist durch dieses Testament nicht beschwert oder beschränkt und kann in jeder Weise frei verfügen.“

Nach dieser Anordnung bestimmten die Eheleute, dass der gemeinsame Sohn Schlusserbe nach dem zuletzt versterbenden Ehepartner sein soll.

Überlebende Ehefrau verfasst neues und abweichendes Testament

Im Jahr 2005 verstarb der Ehemann.

Am 20.03.2015 errichtete die überlebende Ehefrau ein neues Testament und setzte dort eine andere Person A – und nicht ihren Sohn – als alleinige Erbin ein.

Nach dem Tod der Ehefrau beantragte die Person A beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie auf Grundlage des Testaments vom 20.03.2015 als alleinige Erbin der Erblasserin ausweisen sollte.

Das Nachlassgericht weigerte sich einen solchen Erbschein auszustellen. Das Nachlassgericht war der Auffassung, dass die Erblasserin durch das gemeinsame Testament gebunden war und nicht – wirksam – durch ein zeitlich späteres Testament hätte abweichend testieren dürfen.

Beschwerde im Erbscheinverfahren zum OLG

Gegen den ablehnenden Beschluss des Nachlassgerichts legte die Person A Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Dort teilte man aber die Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts und wies die Beschwerde als unbegründet zurück.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG zunächst darauf hin, dass von dem gemeinsamen Testament der Eheleute eine Bindungswirkung ausgehe, da es sich bei der Erbeinsetzung des gemeinsamen Sohnes um eine so genannte wechselbezügliche Verfügung im Sinne von § 2270 Abs. 1 BGB handeln würde.

Dieser Umstand war zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits auch nicht umstritten.

Bindungswirkung des gemeinsamen Testaments

Mit dem Tod des Ehemannes war damit die Schlusserbeneinsetzung des Sohnes grundsätzlich bindend geworden.

Eine Aufhebung dieser Bindung sei, so das OLG in seiner Entscheidung, auch nicht durch die Formulierung in dem gemeinsamen Testament, wonach der überlebende Ehepartner „nicht beschwert oder beschränkt“ sei, aufgehoben worden.

Dieser Hinweis in dem gemeinsamen Testament stelle regelmäßig nur eine Klarstellung der Eheleute dar, dass der Überlebende die volle Stellung eines unbeschränkten Erben haben solle.

Eheleute müssen im gemeinsamen Testament Recht zur Testamentsänderung klar regeln

Wollten die Eheleute dem überlebenden Partner auch das Recht einräumen, abweichend zu testieren, so müsse sich dies klar aus den Anordnungen in dem Testament ergeben.

Das OLG hatte auch aus Umständen außerhalb des gemeinsamen Testaments keine Veranlassung, von einer fehlenden Bindung der Erblasserin auszugehen.

Insbesondere konnte sich in dem entschiedenen Fall ein als Zeuge benannter Rechtsanwalt nach Auffassung des OLG mit Recht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, da er die Erblasserin zu Lebzeiten in erbrechtlichen Angelegenheiten beraten hatte.

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