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Testament: Alleinerbin soll Vermögen für die Kinder verwalten – Die Alleinerbin ist eine nicht befreite Vorerbin

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 13.11.2018 – 31 Wx 182/17

  • Erblasser verfasst unklares Testament
  • Die Alleinerbin soll sein Vermögen „für die Kinder verwalten“
  • Die Alleinerbin ist in diesem Fall lediglich eine nicht befreite Vorerbin

Das Oberlandesgericht München hatte zu klären, welche Stellung einer Erbin zukommt, die im Testament des Erblassers verpflichtet wurde, „Vermögen für die Kinder des Erblassers zu verwalten“.

In der Angelegenheit war der Erblasser am 06.05.2015 verstorben. Der Erblasser war verheiratet und hatte mit seiner Ehefrau zwei Kinder A und B.

Mit einer Lebensgefährtin hatte der Erblasser eine weitere – minderjährige – Tochter C.

Erblasser verfasst unklares Testament

Am 19.11.2009 hatte der Erblasser ein handschriftliches Testament erstellt.

Dieses Testament hatte folgenden Wortlaut:

„Testament
Ich (…) verfüge hiermit, dass im Falle meines Todes oder Geschäftsunfähigkeit meine Lebensgefährtin mein gesamtes Vermögen erbt.
Hr. G.V. soll sich um die Auflösung und Abwicklung so kümmern, dass kein Schaden für meine Lebensgefährtin entsteht. Meine Lebensgefährtin soll das Vermögen für meine Kinder A, B und C verwalten.
Meine Lebensgefährtin erhält mit diesem Schreiben Vollmacht über alle Konten meiner Firmen und alle Privatkonten.
(Ort), 19.11.2009 Unterschrift“

Nach dem Ableben des Erblassers hatte die Lebensgefährtin des Erblassers auf Grundlage des Testaments beim Nachlassgericht einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt. Dieser Erbschein sollte sie antragsgemäß als unbeschränkte Alleinerbin ausweisen.

Dieser Erbscheinsantrag der Lebensgefährtin wurde vom Nachlassgericht abgewiesen. Eine hiergegen von der Lebensgefährtin des Erblassers eingelegte Beschwerde wurde in der Folge zurückgenommen.

Alleinerbin sieht sich als befreite Vorerbin

Dann unternahm die Erbin einen zweiten Anlauf. Sie beantragte beim Nachlassgericht einen Erbschein, der sie als befreite Vorerbin und die Kinder des Erblassers als Nacherben ausweisen sollte.

Ihre Status als befreite Vorerbin ergebe sich, so die Antragstellerin, aus dem Umstand, „dass der Erblasser ihr sein gesamtes Vermögen zugewandt, ihre finanzielle Absicherung bezweckt und ihr uneingeschränkten Zugriff auf alle seine Konten eingeräumt habe.“

Auch dieser Antrag wurde vom Nachlassgericht negativ verbeschieden.

Gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts legte die Betroffene Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Aber auch die zweite Beschwerde zum OLG war nicht erfolgreich. Das OLG teilte nämlich die Einschätzung des Ausgangsgerichts, wonach der Betroffenen nur die Stellung einer nicht befreiten Vorerbin zukommt.

Befreiung des Vorerben kann sich aus Auslegung des Testaments ergeben

Das OLG wies in der Begründung seiner Entscheidung darauf hin, dass die Befreiung eines Vorerben Im Sinne von § 2136 BGB nicht zwingend ausdrücklich in einem Testament angeordnet werden müsse. Die Befreiung des Vorerben könne sich auch im Wege der Auslegung der letztwilligen Verfügung ergeben.

Ergebe sich ein überwiegendes Interesse des Erblassers an der Sicherung des Vorerben, dann sei eine Befreiung des Vorerben nahe liegend. Liege der Schwerpunkt des Interesses aber auf dem Erhalt der Nachlasssubstanz, dann spreche viel dafür, dass der Vorerbe nicht von den gesetzlich vorgesehnen Beschränkungen befreit ist.

Lebensgefährtin ist nur nicht befreite Vorerbin

Auf dieser Grundlage kam das OLG zu dem Ergebnis, dass der Lebensgefährtin des Erblassers im zu entscheidenden Fall lediglich der Status als nicht befreite Vorerbin zukam.

Aus der Formulierung in dem Testament, wonach die Lebensgefährtin „das gesamte Vermögen“ erben sollte, konnte das OLG keinen Hinweis auf eine Befreiung der Erbin entnehmen.

Auch aus der Vollmachtserteilung zugunsten der Lebensgefährtin ergebe sich, so das OLG weiter, keine Befreiung der Vorerbin.

Wille des Erblassers war der Erhalt seines Vermögens für die Kinder

Ebenso befand das OLG den Vortrag der Beschwerdeführerin, wonach der Erblasser Sie und Ihre Tochter finanziell absichern wollte, im Sinne einer Befreiung nicht überzeugend. Hierzu bemerkte das Gericht, dass sowohl die Tochter der Beschwerdeführerin als Nacherbin als auch die Beschwerdeführerin selber als – eben nicht befreite – Vorerbin durch die hinterlassenen Vermögenswerte hinreichend abgesichert seien.

Das Gericht entnahm dem Testament des Erblassers vielmehr den Willen des Erblassers, wonach seine Vermögenssubstanz seinen drei Kindern möglichst ungeschmälert erhalten bleiben sollte.

Dieser Wille des Erblassers konnte aber am effektivsten dadurch umgesetzt werden, in dem der Lebensgefährtin lediglich die Stellung als nicht befreite Vorerbin zugebilligt wurde.

Im Ergebnis musste die Lebensgefährtin nach dieser Entscheidung des OLG einen wiederum korrigierten und dritten Erbscheinsantrag stellen.

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