Erblasserin verteilt in ihrem Testament ihr „vorhandenes Bargeld“ – Sind damit nur Scheine und Münzen gemeint oder auch Bankguthaben?
OLG München – Beschluss vom 05.04.2022 – 33 U 1473/21
- Erblasserin wendet ihr „vorhandenes Bargeld“ als Vermächtnis zu
- Nach dem Erbfall entsteht Streit über die Frage, ob unter „Bargeld“ auch Bankguthaben zu verstehen ist
- Zwei Gerichtsinstanzen nehmen die Erblasserin beim Wort
Das Oberlandesgericht München hatte zu klären, was unter dem Begriff des „vorhandenen Bargeld“ zu verstehen ist.
In der Angelegenheit war eine Erblasserin am 25.08.2017 verstorben.
Die Erblasserin hatte 24.03.2015 ein privatschriftliches Testament errichtet.
Erblasserin setzt in ihrem Testament ein Vermächtnis aus
In diesem Testament hatte die Erblasserin die späteren Beklagten als Erben eingesetzt.
Zugunsten des späteren Klägers hatte die Erblasserin in ihrem Testament ein Vermächtnis ausgesetzt.
In diesem Vermächtnis ordnete die Erblasserin folgendes an:
„Mein vorhandenes Bargeld wird in 19 Teile aufgeteilt.“
Einen dieser 19 Teile wies die Erblasserin in ihrem Testament durch Vermächtnis dem späteren Kläger zu.
Erben verteilen das physisch vorhandene Bargeld
Nach dem Eintritt des Erbfalls zahlten die Erben an den Vermächtnisnehmer 1/19 des zum Todeszeitpunkt vorhandenen Bargeldes aus.
Der Vermächtnisnehmer war mit der Höhe der Zahlung aber nicht einverstanden.
Vermächtnisnehmer erhebt Klage gegen die Erben
Nachdem die Erben diese Interpretation des Testamentinhaltes nicht teilen wollten, ging die Sache zu Gericht.
Das Landgericht wies die Klage des Vermächtnisnehmers mit Hinweis auf den Wortlaut des Testaments ab.
Diese Entscheidung wollte der Vermächtnisnehmer aber nicht akzeptieren und legte Berufung zum Oberlandesgericht ein.
OLG weist Berufung als unbegründet ab
Das OLG teilte aber die Rechtsauffassung des Landgerichts und wies die Berufung als unbegründet ab.
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass bei Unklarheiten in Bezug auf ein Testament immer der tatsächliche Wille des Erblassers im Wege der Auslegung des Testaments ermittelt werden müsse.
Das OLG wollte in diesem Zusammenhang insbesondere nicht dem Vortrag des Vermächtnisnehmers folgen, wonach die Erblasserin unter dem von ihr verwendeten Begriff des Bargeldes auch weitere Vermögenswerte als zum Todestag vorhandene Scheine und Münzen verstanden habe.
Man kann über die Auslegung des Begriffs „Bargeld“ immer streiten
Das Gericht wollte nicht ausschließen, dass es Fälle geben könne, bei denen man unter dem Begriff des "Bargeldes" auch weitere Geldformen verstehen könne.
So hätten in der Vergangenheit Gerichte in bereits entschiedenen Fällen unter den Begriffen „Barschaft“ bzw. „Barvermögen“ nicht nur Scheine und Münzen, sondern eben auch auf Konten vorhandenes Buchgeld und Wertpapierdepots verstanden.
Für den zu entscheidenden Fall wollte das OLG eine solche Wertung des in dem Testament verwendeten Begriffs „Bargeld“ aber nicht vornehmen.
Erblasserin war in Wirtschaftsdingen erfahren
Unter anderem mit Hinweis auf Ausführungen auf der Internetseite der Deutschen Bundesbank vertrat das OLG die Auffassung, dass der von der Erblasserin verwendete Begriff „vorhandenes Bargeld“ in Richtung der physisch vorhandenen Münzen und Scheine ausgelegt werden müsse.
Schließlich verwies das OLG darauf, dass es sich bei der Erblasserin um eine in Wirtschaftsdingen erfahrene Person gehandelt habe, die den Begriff „Bargeld“ nicht zufällig verwendet habe.
Zur Begründung dieses Arguments verwies das OLG darauf, dass die Erblasserin nur wenige Wochen vor ihrem Ableben einer Kreditaufnahme über einen Betrag in Höhe von 350 Millionen Euro zugestimmt habe.
Im Ergebnis musste sich der Vermächtnisnehmer mit seinem Anteil an den zum Todestag im Nachlass vorhandenen Geldmünzen und Scheinen zufrieden geben.
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