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Kann ein Anspruch auf den Pflichtteil verwirkt werden?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Nürnberg – Hinweisbeschluss vom 04.01.2018 – 12 U 1668/17

  • Vater fordert nach dem Tod seines Sohnes den Pflichtteil
  • Die Witwe und Alleinerbin wehrt sich hiergegen mit heftigen Vorwürfen
  • Gerichte entscheiden zugunsten des Vaters

Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte über einen Pflichtteilsanspruch zu entscheiden, den die betroffene Erbin unter keinen Umständen anerkennen wollte.

In der Angelegenheit war der Erblasser am 10.05.2016 verstorben. Der kinderlose Erblasser hatte zu Lebzeiten ein Testament errichtet und seine Ehefrau dort als Alleinerbin eingesetzt.

Nach dem Eintritt des Erbfalls meldete sich der Vater des Erblassers bei der Erbin und machte nach dem Tod seines Sohnes Pflichtteilsansprüche geltend. Der Vater des Erblassers forderte von der Erbin im Ergebnis 1/8 des Nachlasswertes als seinen Pflichtteil.

Vater fordert von der Alleinerbin Auskunft über den Nachlass

Um den Pflichtteil auch wertmäßig beziffern zu können, forderte der pflichtteilsberechtigte Vater seine Schwiegertochter auf, ihm Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen.

Nachdem die Erbin dieser Forderung nicht nachkam, erhob der Vater des Erblassers Klage.

Gegen diese Klage fuhr die Erbin schweres Geschütz auf. Obwohl im Testament des Erblassers von einer Enterbung des Vaters nicht die Rede war, führte die Erbin vor Gericht aus, dass der Vater ein ihm zustehendes Pflichtteilsrecht verwirkt habe.

Konkret wurde dem seinen Pflichtteil begehrenden Kläger von der Erbin vorgeworfen,  dass er seinem Sohn, dem Erblasser, keinen ausreichenden Unterhalt geleistet und ihn fortwährend gedemütigt, beleidigt, misshandelt und geschlagen habe. Mit 14 Jahren habe der Vater seinen Sohn aus dem Haus getrieben und – mit bedingtem Tötungsvorsatz – mit einem Schraubenzieher angegriffen.

Testament schweigt sich zur Enterbung aus

Von all diesen Vorwürfen stand im Testament des Erblassers kein Wort.

Die Erbin trug weiter vor, dass es der ausdrückliche Wunsch des Erblassers gewesen sei, dass sein Vater aus dem Nachlass nichts bekomme.

Weiter sei der Erblasser bei der Abfassung seines Testaments irrtümlich davon ausgegangen, dass sein Vater durch die Erbeinsetzung der Ehefrau komplett von der Erbfolge ausgeschlossen sei.

Das Landgericht gab der Klage des Vaters statt. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit dem Umstand, dass eine formwirksame Enterbung seines Vaters durch den Erblasser vorliegend nicht angeordnet worden sei.

Auch sei der Pflichtteilsanspruch des Vaters nicht verwirkt, so das Landgericht.

Gegen diese Entscheidung legte die Erbin Berufung zum Oberlandesgericht ein. Dort sah man die Sache aber genauso wie das Ausgangsgericht und legte der Erbin nahe, ihre Berufung zurück zu nehmen.

OLG: Enterbung jedenfalls nicht formgerecht vorgenommen

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass eine formwirksame Enterbung des Vaters des Erblassers vorliegend nicht gegeben sei. Die von der Erbin angeführten Umstände hatten keinen Eingang in das Testament des Erblassers gefunden und könnten aus diesem Grund auch nicht berücksichtigt werden.

Auch eine Pflichtteilsunwürdigkeit konnte das OLG ebenso wenig wie das Landgericht feststellen. Der von der Erbin angeführte Tötungsversuch war vom Vater im gerichtlichen Verfahren rundweg bestritten worden und konnte von der Witwe des Erblassers auch nicht unter Beweis gestellt werden.

Auch eine Verwirkung des Pflichtteilanspruchs käme, so das OLG weiter, im zu entscheidenden Fall nicht in Frage.

Verwirkung des Pflichtteils nur schwer vorstellbar

Das OLG wollte es zwar nicht kategorisch ausschließen, dass auch ein Pflichtteilsanspruch der Verwirkung unterliegen könne. Die Annahme einer Verwirkung dürfe aber nicht zu einer Umgehung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Gründe für eine Enterbung, § 2333 BGB, bzw. der im Gesetz für eine Pflichtteilsunwürdigkeit, § 2339 BGB, führen.

Die im Gesetz – abschließend – aufgeführten Gründe für eine Entziehung des Pflichtteils bzw. für eine Pflichtteilsunwürdigkeit dürften nicht über den Umweg der Verwirkung aufgeweicht und erweitert werden.

Im Ergebnis musste die Erbin dem pflichtteilsberechtigten Vater demnach die begehrte Auskunft über den Nachlass erteilen.

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