Entziehung des Pflichtteils muss im Testament konkret begründet werden
OLG Saarbrücken – Beschluss vom 12.12.2017 – 5 W 53/17
- Sohn wird straffällig und beklaut seine Mutter und seine Schwester
- Mutter will den Sohn in ihrem Testament enterben
- Gericht versagt der Enterbung die Anerkennung
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte in einer Erbscheinsangelegenheit darüber zu befinden, ob eine Erblasserin die vollständige Enterbung ihres Sohnes wirksam in ihrem Testament angeordnet hatte.
Die Erblasserin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann am 13.02.1984 ein Testament errichtet. In diesem gemeinschaftlichen Testament hatten sich die Eheleute zu Alleinerben eingesetzt. Erben des länger lebenden Ehepartners sollten nach den Bestimmungen dieses Testaments die beiden Kinder des Ehepaares, ein Sohn und eine Tochter, werden.
Nach dem Tod des Familienvaters bekam die Erblasserin mit ihrem Sohn offensichtlich nachhaltige Schwierigkeiten. Der Sohn kam auf die schiefe Bahn und wurde im März 2010 wegen schweren räuberischen Diebstahles in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Strafe für den Sohn wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Im März 2013 wollte die Erblasserin auf diese neue Situation reagieren und errichtete ein neues notarielles Testament.
Mutter setzt die Tochter als alleinige Erbin ein
In diesem Testament setzte die Erblasserin ihre Tochter als alleinige Erbin ein und entzog ihrem Sohn dessen Pflichtteil.
Diesen Pflichtteilsentzug begründete die Erblasserin mit Hinweis auf die strafrechtliche Verurteilung ihres Sohnes und den Umstand, dass die Bewährung für ihren Sohn mit der Folge widerrufen wurde, dass der Sohn seine Haftstrafe tatsächlich verbüßen musste.
Weiter wies die Erblasserin in dem notariellen Testament aus dem Jahr 2013 ergänzend auf folgendes hin:
„Zudem wurden weitere Straftaten von meinem Sohn … innerhalb meiner Familie begangen, wie bspw. Einbrüche in meine Wohnung und die Wohnung meiner Tochter sowie mehrfacher Diebstahl u.a. meines Schmucks, die jedoch nicht zur Anzeige gebracht wurden.“
Tochter beantragt beim Nachlassgericht einen Erbschein
Nach dem Tod der Erblasserin im Juli 2014 beantragte die Tochter der Erblasserin beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie als alleinige Erbin ihrer Mutter ausweisen sollte. Dieser Antrag wurde von der Tochter der Erblasserin auf das notarielle Testament aus dem Jahr 2013.
Das Nachlassgericht lehnte die Erteilung des beantragten Erbscheins ab. Das Nachlassgericht wies darauf hin, dass das gemeinsame Testament, das die Erblasserin mit ihrem Ehemann errichtet hatte, bindend gewesen sei. Die Erblasserin habe nicht die Möglichkeit gehabt, ihre Erbfolge in einem späteren Testament abweichend zu gestalten.
Weiter sei, so das Nachlassgericht, ein Pflichtteilsentziehungsgrund nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB sei nicht gegeben, weil diese Bestimmung nur rechtskräftige Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung erfasse.
Gründe, die nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Entziehung des Pflichtteils rechtfertigen würden, seien von der Erblasserin in ihrem Testament nicht konkret genug angegeben worden.
Tochter legt Beschwerde zum OLG ein
Die Tochter der Erblasserin wollte diese Entscheidung des Nachlassgerichts nicht hinnehmen und legte Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Sie wies in ihrer Beschwerde darauf hin, dass die Bewährung für ihren Bruder widerrufen worden sei, so dass der § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB zumindest analog angewendet werden müsse. Auch würden die weiteren Angaben der Erblasserin in dem notariellen Testament ausreichen, um den Pflichtteilsentziehungsgrund nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu erfüllen.
Das Oberlandesgericht schloss sich aber der Bewertung des Nachlassgerichts an und wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
Das OLG wies darauf hin, dass sich die Erbfolge im zu entscheidenden Fall nach dem bindenden Ehegattentestament aus dem Jahr 1984 richten würde. Das zeitlich spätere Testament sei, so das OLG, unwirksam.
OLG: Enterbung im notariellen Testament ist unwirksam
Ebenso verneinte das OLG das Vorliegen von Pflichtteilsentziehungsgründen.
Eine analoge Anwendung des Entziehungsgrundes nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB auf eine Bewährungsstrafe komme nicht in Betracht.
Und ebenso sei, so das OLG weiter, der Entziehungsgrund des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB in dem notariellen Testament nicht hinreichend klar ausgeführt worden. Es könnten nur die in der letztwilligen Verfügung tatsächlich "angegebenen" Gründe zu einer Pflichtteilsentziehung führen. Es müssten nach „Ort und Zeit bestimmbare Vorgänge“ in dem Testament aufgeführt sein, um eine Pflichtteilsentziehung zu rechtfertigen.
Diese Voraussetzungen verneinte das OLG im Hinblick auf die – eher vagen – Angaben der Erblasserin in dem notariellen Testament.
Im Ergebnis wurde die Erblasserin demnach auf Grundlage des Testaments aus dem Jahr 1984 sowohl von ihrer Tochter als auch von ihrem Sohn beerbt.
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