Rechtsanwalt Dr. Georg Weißenfels ・ Theresienstraße 1 ・ 80333 München

Entziehung des Pflichtteils muss im Testament konkret begründet werden

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Saarbrücken – Beschluss vom 12.12.2017 – 5 W 53/17

  • Sohn wird straffällig und beklaut seine Mutter und seine Schwester
  • Mutter will den Sohn in ihrem Testament enterben
  • Gericht versagt der Enterbung die Anerkennung

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte in einer Erbscheinsangelegenheit darüber zu befinden, ob eine Erblasserin die vollständige Enterbung ihres Sohnes wirksam in ihrem Testament angeordnet hatte.

Die Erblasserin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann am 13.02.1984 ein Testament errichtet. In diesem gemeinschaftlichen Testament hatten sich die Eheleute zu Alleinerben eingesetzt. Erben des länger lebenden Ehepartners sollten nach den Bestimmungen dieses Testaments die beiden Kinder des Ehepaares, ein Sohn und eine Tochter, werden.

Nach dem Tod des Familienvaters bekam die Erblasserin mit ihrem Sohn offensichtlich nachhaltige Schwierigkeiten. Der Sohn kam auf die schiefe Bahn und wurde im März 2010 wegen schweren räuberischen Diebstahles in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Strafe für den Sohn wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Im März 2013 wollte die Erblasserin auf diese neue Situation reagieren und errichtete ein neues notarielles Testament.

Mutter setzt die Tochter als alleinige Erbin ein

In diesem Testament setzte die Erblasserin ihre Tochter als alleinige Erbin ein und  entzog ihrem Sohn dessen Pflichtteil.

Diesen Pflichtteilsentzug begründete die Erblasserin mit Hinweis auf die strafrechtliche Verurteilung ihres Sohnes und den Umstand, dass die Bewährung für ihren Sohn mit der Folge widerrufen wurde, dass der Sohn seine Haftstrafe tatsächlich verbüßen musste.

Weiter wies die Erblasserin in dem notariellen Testament aus dem Jahr 2013 ergänzend auf folgendes hin:

„Zudem wurden weitere Straftaten von meinem Sohn … innerhalb meiner Familie begangen, wie bspw. Einbrüche in meine Wohnung und die Wohnung meiner Tochter sowie mehrfacher Diebstahl u.a. meines Schmucks, die jedoch nicht zur Anzeige gebracht wurden.“

Tochter beantragt beim Nachlassgericht einen Erbschein

Nach dem Tod der Erblasserin im Juli 2014 beantragte die Tochter der Erblasserin beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie als alleinige Erbin ihrer Mutter ausweisen sollte. Dieser Antrag wurde von der Tochter der Erblasserin auf das notarielle Testament aus dem Jahr 2013.

Das Nachlassgericht lehnte die Erteilung des beantragten Erbscheins ab. Das Nachlassgericht wies darauf hin, dass das gemeinsame Testament, das die Erblasserin mit ihrem Ehemann errichtet hatte, bindend gewesen sei. Die Erblasserin habe nicht die Möglichkeit gehabt, ihre Erbfolge in einem späteren Testament abweichend zu gestalten.

Weiter sei, so das Nachlassgericht, ein Pflichtteilsentziehungsgrund nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB sei nicht gegeben, weil diese Bestimmung nur rechtskräftige Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung erfasse.

Gründe, die nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Entziehung des Pflichtteils rechtfertigen würden, seien von der Erblasserin in ihrem Testament nicht konkret genug angegeben worden.

Tochter legt Beschwerde zum OLG ein

Die Tochter der Erblasserin wollte diese Entscheidung des Nachlassgerichts nicht hinnehmen und legte Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Sie wies in ihrer Beschwerde darauf hin, dass die Bewährung für ihren Bruder widerrufen worden sei, so dass der § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB zumindest analog angewendet werden müsse. Auch würden die weiteren Angaben der Erblasserin in dem notariellen Testament ausreichen, um den Pflichtteilsentziehungsgrund nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu erfüllen.

Das Oberlandesgericht schloss sich aber der Bewertung des Nachlassgerichts an und wies die Beschwerde als unbegründet zurück.

Das OLG wies darauf hin, dass sich die Erbfolge im zu entscheidenden Fall nach dem bindenden Ehegattentestament aus dem Jahr 1984 richten würde. Das zeitlich spätere Testament sei, so das OLG, unwirksam.

OLG: Enterbung im notariellen Testament ist unwirksam

Ebenso verneinte das OLG das Vorliegen von Pflichtteilsentziehungsgründen.

Eine analoge Anwendung des Entziehungsgrundes nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB auf eine Bewährungsstrafe komme nicht in Betracht.

Und ebenso sei, so das OLG weiter, der Entziehungsgrund des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB in dem notariellen Testament nicht hinreichend klar ausgeführt worden. Es könnten nur die in der letztwilligen Verfügung tatsächlich "angegebenen" Gründe zu einer Pflichtteilsentziehung führen. Es müssten nach „Ort und Zeit bestimmbare Vorgänge“ in dem Testament aufgeführt sein, um eine Pflichtteilsentziehung zu rechtfertigen.

Diese Voraussetzungen verneinte das OLG im Hinblick auf die – eher vagen – Angaben der Erblasserin in dem notariellen Testament.

Im Ergebnis wurde die Erblasserin demnach auf Grundlage des Testaments aus dem Jahr 1984 sowohl von ihrer Tochter als auch von ihrem Sohn beerbt.

Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier Kontakt aufnehmen.

Das könnte Sie auch interessieren:
Rechtssicher Enterben – Wie muss ein Testament bei einer Enterbung formuliert sein?
Komplett enterbt und von der Erbfolge ausgeschlossen? Gerichtliche Klärung noch zu Lebzeiten des Erblassers möglich!
Entzug des Pflichtteils kann nicht auf Diebstahl von Wurst gestützt werden
Über 1.000 aktuelle Entscheidungen der Gerichte zum Erbrecht

  • Brauchen Sie Hilfe beim Erstellen oder Ändern Ihres Testaments?
  • Gerne berate ich Sie auch in allen anderen erbrechtlichen Angelegenheiten.
  • Senden Sie mir über das Kontaktformular oder per Mail eine Nachricht.
  • Gerne besuche ich Sie bei Bedarf auch bei Ihnen zu Hause.
Anwalt für Erbrecht
Rechtsanwalt
Dr. Georg Weißenfels
Theresienstraße 1
80333 München
Telefon: 089 / 20 500 85191

Mit Ihrer umsichtigen Hilfe haben wir die Dinge in die richtige Richtung lenken können; entscheidend war dabei vor allem Ihr erstklassiges schriftsätzliches Vorbringen vor dem Nachlassgericht und Ihre zielgerichteten Verhandlungen mit den anderen Parteien zur Beilegung von festgefahrenen Gegensätzen.

G.v.U. aus Feldafing

Wir verdanken Herrn Dr. Weißenfels ein für alle Seiten positives Ende eines außergerichtlichen Vergleiches, zu dem es ohne seine Taktik und seine starke Positionierung der Fakten nie gekommen wäre. Wir würden Herrn Dr. Weißenfels mit seiner speziellen Kompetenz in Erbsachen jedem guten Freund weiter empfehlen.

D.K. aus Augsburg

Ich möchte mich recht herzlich für die erfolgreiche kompetente Unterstützung und sehr angenehme und schnelle Zusammenarbeit mit Ihnen bedanken. Ich kann Sie an "ALLE Unwissenden in Sachen Erbe" mit gutem (bestem) Gewissen weiterempfehlen.

E.R. aus Teneriffa, Spanien

Für die erfolgreiche Vertretung in meinem Nachlassverfahren ein herzliches DANKE! Herr Dr. Weißenfels arbeitet äußerst professionell, zielbewusst und prägnant. Hervorheben möchte ich auch die stets freundliche, zuverlässige und zeitnahe Kommunikation. Ich habe mich bei ihm zu jeder Zeit "gut aufgehoben" gefühlt.

K.H. aus Marktsteft

Die Professionalität und überaus kompetente Vorgehensweise von Herrn Dr. Weißenfels haben mir meinen Pflichtteil der Erbschaft ermöglicht. Da ich in Österreich lebe und die Erbschaft aus Deutschland kam, wurde mir von ihm in unkompliziertem Schriftverkehr in kürzester Zeit geholfen.

W.J. aus Wien

Ich habe mich bei Ihnen auch dank Ihrer sehr gründlichen Befassung mit dem Hintergrund meines Anliegens auf Grundlage umfangreicher Briefwechsel und Unterlagen, bei gleichzeitig umsichtigen Vorgehen stets in guten und verantwortungsbewussten Händen gewusst.

A.P. aus Wiesbaden

Hier ist man in guten Händen und die Beratung ist exzellent. Ein ehrlicher Anwalt!

M.P. aus München

Wir waren mit der Beratung äußerst zufrieden - Exzellent formulierte Schriftsätze - Zuverlässig in der Kommunikation. Die Ratschläge haben uns sehr weitergeholfen.

U. und F. C. aus München

Erbrecht