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Bei Pflichtteilsstrafklausel in Berliner Testament führt auch eine einvernehmliche Auszahlung des Pflichtteils zum Verlust des Erbrechts

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Frankfurt – Beschluss vom 02.08.2010 – 20 W 49/09

  • Eltern sehen in ihrem Testament eine Pflichtteilsstrafklauel für ihre Kinder vor
  • Nach dem Tod des Vaters einigt sich die Mutter mit den Kindern auf die Zahlung des Pflichtteils
  • Nach dem Tod der Mutter bekommen die Kinder wieder nur ihren Pflichtteil

Im Rahmen einer Auseinandersetzung um die Erteilung eines Erbscheins hatte das OLG Frankfurt eine Pflichtteilsstrafklausel in einem klassischen Berliner Testament zu beurteilen.

Die Erblasserin war im Jahr 2008, ihr Ehemann bereits im Jahr 2000 verstorben. Die Eheleute hinterließen drei Kinder.

Die Erblasserin hatte gemeinsam mit ihrem Mann im Jahr 1983 ein gemeinschaftliches Testament aufgesetzt. In diesem Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten ein.

Das Testament der Eltern enthält keine Benennung des Schlusserben

Bemerkenswerterweise ließen es die Eheleute in dem Testament offen, wer nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten Schlusserbe werden solle. Das Testament enthielt aber eine so genannte Pflichtteilsstrafklausel mit folgendem Inhalt:

„Sollte eines der Kinder auf Auszahlung seines Pflichtteils bestehen, so soll es auch nach dem Ableben des überlebenden Ehepartners nur einen Pflichtteil bekommen.“

 Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2000 schlossen die drei Kinder mit der Mutter einen notariellen Vertrag. Gegenstand dieses Vertrages war die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen und die Abgeltung dieser Ansprüche durch die Übertragung zweier Grundstücke von der Mutter auf die Kinder.

Die Enkelkinder beantragen einen Erbschein

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2008 beantragten drei Enkelkinder den Erlass eines Erbscheins, der sie als Erben zu je 1/3 ausweisen solle.

Die Enkelkinder verwiesen auf die Klausel in dem Testament, wonach diejenigen Kinder, die nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten auf ihrem Pflichtteil „bestehen“, aus der Erbfolge ausscheiden und nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten lediglich wiederum den Pflichtteil erhalten sollen.

Nachdem alle drei Kinder aber nach dem Tod des Vaters Pflichtteilsansprüche geltend gemacht hätten, würden auch alle drei Kinder nach dem Tod der Mutter ihre Erbenstellung verlieren.

Zwei der betroffenen Kinder stimmten diesem Erbscheinsantrag der Enkelkinder zu. Ein Kind trat ihm jedoch entgegen. Es verwies auf die fehlende Schlusserbeneinsetzung in dem Testament aus dem Jahr 1983, dessen logische Folge die gesetzliche Erbfolge nach dem Tod der Mutter sei.

Nachlassgericht favorisiert den Erbscheinsantrag der Enkelkinder

Weiter verwies das Kind darauf, dass die Eltern ihre Kinder sicher nicht enterben wollten und die Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des Vaters lediglich aus steuerlichen Gründen geltend gemacht worden seien.

Das für die Erteilung des Erbscheins zuständige Nachlassgericht ließ sich von diesen Argumenten jedoch nicht beeindrucken und kündigte an, einen Erbschein zugunsten der Enkelkinder erlassen zu wollen.

Diese Einschätzung der Rechtslage wurde nachfolgend sowohl vom Landgericht als auch vom Oberlandesgericht bestätigt.

OLG legt das Testament der Eltern aus

Dabei verwies das Oberlandesgericht zunächst darauf, dass das Testament der Eheleute zunächst dahingehend ausgelegt werden müsse, dass die gemeinsamen Kinder als Schlusserben von den Eheleuten eingesetzt worden sind. Eine solche Schlusserbeneinsetzung verberge sich hinter der Pflichtteilsstrafklausel.

Weiter führte das Gericht aus, dass auch die Tatsache, dass die Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des Vaters im Einvernehmen mit und nicht gegen den erklärten Willen der Mutter reguliert wurden, nichts daran ändert, dass der Tatbestand der in dem Testament enthaltenen Strafklausel erfüllt sei.

Es komme in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich nicht darauf an, dass sich die Kinder im Moment der Geltendmachung des Pflichtteils der weit reichenden Folgen für den zweiten Erbgang bewusst gewesen seien.

Eltern wollten kein Erbrecht des Staates

Schließlich müsse man davon ausgehen, dass die Eltern bei der Abfassung ihres gemeinsamen Testaments im Ergebnis jedenfalls das Erbe in der Familie halten und nicht auch die Nachkommen ihrer Kinder von der Erbfolge ausschließen wollten.

Es sei nicht anzunehmen, dass die Eltern mit der Pflichtteilsklausel am Ende ein Erbrecht für den Staat begründen wollten.

Im Ergebnis wurde die Erblasserin demnach von ihren drei Enkeln beerbt. Für die Kinder der Erblasserin blieb der gesetzliche Pflichtteil.

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