Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen bei Strafklausel im Testament führt zu Verlust des Erbrechts
OLG Düsseldorf - Beschluss vom 18.07.2011 - I-3 Wx 124/11
- Eltern wollen verhindern, dass ihre Kinder nach dem Ableben des ersten Ehepartners den Pflichtteil fordern
- In ein Testament der Eltern wird eine Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen
- Die Tochter fordert nach dem Tod des Vaters ihren Pflichtteil und verliert ihr Erbrecht
Eine Tochter, die als Miterbin ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils geltend macht, verliert ihr Erbrecht bereits mit Forderung des Pflichtteils, wenn im Testament der Eltern eine entsprechende Strafklausel vorhanden ist.
In einem von dem OLG Düsseldorf entschiedenen Fall machte eine Miterbin ihr Erbrecht durch die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten zunichte.
Die Eheleute V und M hatten im Jahr 1996 ein gemeinschaftliches notarielles Testament errichtet. In diesem Testament setzten sie sich bei Tod des Erstversterbenden gegenseitig als Alleinerben ein. Erben des zuletzt versterbenden Ehegatten sollten die beiden Kinder, Sohn S und Tochter T sein.
Die Kinder werden als Nacherben eingesetzt
Bei Erstversterben des Vaters sollte die Ehefrau allerdings nur Vorerbin sein. Als Nacherben wurden die beiden Kinder benannt.
Weiter enthielt das Testament eine so genannte Pflichtteilsstrafklausel. Diese hatte zum Inhalt, dass das Kind, das nach dem Tod des Vaters als Erstversterbendem seinen Pflichtteilsanspruch bei der Mutter geltend macht, auch nach dem Tod der Mutter nur den Pflichtteil erhalten soll.
Der Vater verstarb im Mai 2005. Bereits im Juni 2005 teilte die Tochter der Mutter mit, dass ihr Pflichtteils- und gegebenenfalls auch Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen würden.
Tochter kündigt Geltendmachung des Pflichtteils an
Sie bat ihre Mutter vor diesem Hintergrund um Übermittlung eines Nachlassverzeichnisses mitsamt eines Wertgutachtens über den Nachlass.
Weiter teilte die Tochter Im Jahr 2006 mit anwaltlichem Schreiben mit, dass sie ihre Nacherbschaft ausschlagen werde, um nachfolgend den Pflichtteil geltend zu machen. Zu einer Ausschlagungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht kam es dann allerdings in der Folge nicht.
Im Jahr 2010 verstarb dann auch die Mutter. Der Sohn beantragte nachfolgend beim zuständigen Nachlassgericht einen Erbschein, der ihn als Alleinerben nach dem Tod seiner Mutter ausweisen solle. Er vertrat in seinem Antrag die Auffassung, dass das Erbrecht seiner Schwester durch die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Tod des Vaters erloschen sei.
Tochter kämpft um ihr Erbrecht
Die Tochter wandte sich gegen diesen Antrag und ließ vortragen, dass sie weder die Erbschaft jemals wirksam ausgeschlagen habe, noch habe sie ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Vaters bei der Mutter durchgesetzt. Ihrer Auffassung nach müsse der Erbschein sie zu 1/2 als Miterbin ausweisen.
Weder das Nachlassgericht noch das OLG als Beschwerdegericht folgten der Argumentation der Tochter.
Das OLG wies darauf hin, dass so genannte Verwirkungsklauseln, die Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Ehepartners davon abhalten sollen, ihren Pflichtteil geltend zu machen, grundsätzlich wirksam sind.
Durch welches Verhalten der pflichtteilsberechtigten Kinder die Sanktion der Strafklausel ausgelöst wird, sei, so das OLG, durch Auslegung des Testaments zu ermitteln.
OLG: Tochter hat den Pflichtteil ernsthaft geltend gemacht
Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass Erblasser mit einer Pflichtteilsstrafklausel sowohl den Bestand des Nachlasses für den Überlebenden sichern wollen, als auch dem Überlebenden psychisch belastende Auseinandersetzungen mit dem Pflichtteilsberechtigten ersparen wollen.
Im entschiedenen Fall hatte die Tochter nach Auffassung des OLG ihren Pflichtteil im Jahr 2005 jedenfalls mittels "ernsthaftem Verlangen" geltend gemacht.
Ein klageweises Vorgehen gegen die Mutter war nicht notwendig, um die Sanktion der Strafklausel auszulösen. Entscheidend sei eine gewisse "Intensität" und "Ernsthaftigkeit" bei der Geltendmachung des Pflichtteils.
Dies habe die Tochter aber durchaus an den Tag gelegt. Irrelevant war, dass die Tochter ihr Nacherbrecht zu keinem Zeitpunkt wirksam ausgeschlagen hatte.
Dem Sohn wurde der Erbschein, der ihn als Alleinerben auswies, erteilt.
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