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Pflichtteil: Ein unvollständiges notarielles Nachlassverzeichnis muss vom Erben nachgebessert werden!

Von: Dr. Georg Weißenfels

BGH – Urteil vom 20.05.2020 – IV ZR 193/19

  • Erbin gibt dem Pflichtteilsberechtigten nur zu Konten im Inland Auskunft
  • Pflichtteilsberechtigte monieren Unvollständigkeit eines notariellen Nachlassverzeichnisses
  • Nach zehn Jahren Streit ist beim Bundesgerichtshof (vorläufig) Endstation

Der Bundesgerichtshof hatte einen Streit zwischen Pflichtteilsberechtigten und einem Erben über die Vollständigkeit eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu klären.

In der Angelegenheit war die Erblasserin am 22.09.2010 (!) verstorben.

Die Erblasserin hatte eine ihrer Töchter in ihrem Testament als alleinige Erbin eingesetzt.

Eine weitere Tochter der Erblasserin war bereits vor ihrer Mutter verstorben, hinterließ aber ihrerseits zwei Töchter.

Enkeltöchter der Erblasserin machen ihren Pflichtteil geltend

Diese beiden Enkeltöchter der Erblasserin machten nunmehr bei der als Alleinerbin eingesetzten Tochter der Erblasserin nach dem Erbfall Pflichtteilsansprüche geltend.

Die Enkeltöchter der Erblasserin erwirkten vor Gericht gegen die Alleinerbin ein Urteil, wonach die Alleinerbin verpflichtet war, über den Bestand des Nachlasses ein notarielles Nachlassverzeichnis vorzulegen.

Die Alleinerbin ließ dann auch über einen Notar ein solches Nachlassverzeichnis erstellen.

Notar bekommt von der Erbin eine Vollmacht

In diesem Zusammenhang erteilte die Alleinerbin dem Notar eine Vollmacht, Kontenauskünfte bei deutschen Kreditinstituten einzuholen.

Tatsächlich unterhielt die Erblasserin aber auch im Ausland bei österreichischen Banken Kontobeziehungen.

Mit der Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses wies der Notar darauf hin, dass ihm mangels einer für Auslandskonten geltenden Vollmacht eine Abfrage bei dem österreichischen Kreditinstitut nicht möglich gewesen sei.

In Bezug auf mögliches in Österreich gelegenes Vermögen lag dem von dem deutschen Notar erstellten notariellen Nachlassverzeichnis lediglich ein Protokoll der von der Alleinerbin in Österreich abgegebenen Erbantrittserklärung und der Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung eines österreichischen Notars bei.

Erbin macht Angaben zum Konto in Österreich

Diesen Unterlagen war eine alleine auf Angaben der Alleinerbin basierende Auskunft zu entnehmen, dass bei einer österreichischen Raiffeisenbank auf einem Nachlasskonto ein Guthaben in Höhe von 3.596,09 Euro vorhanden sei. Weiteres Vermögen, so die Angabe der Alleinerbin, sei in Österreich nicht vorhanden.

Die beiden Enkeltöchter der Erblasserin wollten sich mit dieser Form des notariellen Nachlassverzeichnisses aber nicht zufrieden geben.

Basierend auf dem den Enkeltöchtern der Erblasserin vorliegenden Urteil beantragten sie beim Amtsgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Alleinerbin, um diese zur Vorlage eines vollständigen Nachlassverzeichnisses anzuhalten.

Erbin meint alles Erforderliche getan zu haben

Die Alleinerbin wandte ein, sie habe den titulierten Auskunftsanspruch der Enkeltöchter der Erblasserin durch die Vorlage des notariellen Verzeichnisses erfüllt.

Das Amtsgericht gab dem Antrag der Alleinerbin, die Zwangsvollstreckung gegen sie für unzulässig zu erklären, statt.

Gegen diese Entscheidung legten die Enkeltöchter der Erblasserin Rechtsmittel ein und tatsächlich änderte das Landgericht daraufhin die Entscheidung des Amtsgerichts ab.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts legte dann die Alleinerbin aber Revision zum Bundesgerichtshof ein und scheiterte dort schlussendlich.

BGH bestätigt die Entscheidung des Landgerichts

Der BGH bestätigte die Zulässigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Alleinerbin und wies die Revision als unbegründet ab.

Im Ergebnis teilte der BGH die Auffassung des Landgerichts, wonach die  Enkeltöchter der Erblasserin eine Ergänzung und Berichtigung des notariellen Nachlassverzeichnisses fordern können.

Ein Erbe sei verpflichtet „eigene Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten bzw. sonstigen Dritten durchzusetzen.“ Die vom Erben geschuldete Kooperation könne, so der BGH, „insoweit auch in der Anweisung an Dritte bestehen, die benötigten Auskünfte unmittelbar gegenüber dem Notar zu erteilen.“

Ausnahmsweise bestehe für den Pflichtteilsberechtigten auch ein Anspruch auf Ergänzung und Berichtigung des notariellen Nachlassverzeichnisses.

Keine ausreichenden Angaben zum Konto in Österreich

Dem BGH fehlten in dem vorliegenden notariellen Nachlassverzeichnis umfassende Angaben über die Geschäftsbeziehung der Erblasserin zu der in Österreich gelegenen Raiffeisenbank.

Die Verweigerung des Abrufs der Kontodaten aus Österreich wurde der Alleinerbin so zum Verhängnis.

Die von der Alleinerbin vorgelegten Angaben aus dem in Österreich durchgeführten Verlassenschaftsverfahren boten keinen adäquaten Ersatz.

Im Ergebnis wurde damit vom BGH bestätigt, dass die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Alleinerbin zulässig war.

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