Pflichtteil: Nachlassverzeichnis muss nicht vom Erben unterschrieben sein – Anspruch auf Vorlage von Belegen besteht in der Regel nicht
OLG Brandenburg – Urteil vom 14.07.2020 – 3 U 38/19
- Erbin legt ein eklatant unvollständiges Nachlassverzeichnis vor
- Pflichtteilsberechtigte vermissen Unterschrift unter dem Verzeichnis
- Erbe muss regelmäßig mit dem Verzeichnis keine Belege vorlegen
Das Oberlandesgericht Brandenburg musste in einem Streitfall praxisrelevante Teilaspekte des Pflichtteilsrechts klären.
In der Angelegenheit hatte der Erblasser durch letztwillige Verfügung seine Ehefrau als alleinige Erbin eingesetzt.
Mit dieser Entscheidung waren drei Kinder des Erblassers, zwei Brüder und eine Schwester von der Erbfolge ausgeschlossen.
Alleinerbin soll Auskunft über den Nachlass geben
In der Folge forderten die beiden Brüder die Ehefrau des Erblassers aus, Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen.
Die Alleinerbin erteilte daraufhin Auskunft. Die Auskunft war jedoch erkennbar unvollständig.
Die beiden Brüder erhoben in der Folge Klage gegen die Alleinerbin und begehrten unter anderem vollständige Auskunft.
Kläger erheben Stufenklage zum Landgericht
Im Wege einer Stufenklage forderten die Kläger von der Erbin zunächst Auskunft über den Bestand des Nachlasses unter Vorlage der entsprechenden Belege. In einer zweiten Stufe wollten die Kläger von der Erbin ein Wertgutachten über zum Nachlass gehörende Immobilien. In einer dritten Stufe beabsichtigten die Kläger dann ihren Pflichtteil zu beziffern.
Es kam jedoch bereits in erster Stufe der Klage zu (nicht unüblichen) Problemen.
Das Landgericht verurteilte die Erbin zwar antragsgemäß, die Erbin ging gegen diese Entscheidung aber in Berufung zum Oberlandesgericht.
OLG bestätigt das Urteil erster Instanz nur zum Teil
Das OLG befand das Urteil des Landgerichts daraufhin nur zum Teil für korrekt.
Das OLG ließ die beklagte Erbin zwar wissen, dass das von ihr den Pflichtteilsberechtigten übermittelte Nachlassverzeichnis „eklatant unvollständig“ sei.
In Anbetracht dieser Tatsache bejahte auch das OLG einen Anspruch der Pflichtteilsberechtigten auf Vervollständigung des Nachlassverzeichnisses.
Gleichzeitig stellte das OLG aber auch fest, dass das bisher vorgelegte Nachlassverzeichnis nicht wegen einer fehlenden Unterschrift der Erbin an einem Formmangel leide.
Fehlende Unterschrift unter dem Nachlassverzeichnis ist unschädlich
Die vom Erben nach § 2314 BGB geschuldete Auskunft müsse, so das OLG, nach ganz herrschender Meinung vom Erben nicht eigenhändig unterschrieben werden.
Weiter wies das OLG darauf hin, dass das Landgericht die Anforderungen an die Auskunftspflicht der Erbin insoweit falsch beurteilt habe, als es den Pflichtteilsberechtigten auch den geltend gemachten Anspruch auf Vorlage von Belegen zugebilligt habe.
Vorlage von Belegen ist vom Erben nicht geschuldet
Hierzu ließ das OLG die klagenden Pflichtteilsberechtigten folgendes wissen:
„Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten aus § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB berechtigt diesen … weitgehend nicht, die Herausgabe von Belegen für die in das Nachlassverzeichnis aufgenommenen Vermögensbestandteile zu verlangen, da dies der Natur des Anspruchs widerspricht, der nur auf die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses gerichtet ist.“
Ausnahmen von diesem Grundsatz könnten nur dann zugelassen werden, wenn die Belege notwendig sind, damit der Pflichtteilsberechtigte den Wert des konkreten Nachlassgegenstandes selber einschätzen kann, so zum Beispiel bei einem zum Nachlass gehörenden Unternehmen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden im Verhältnis 1/3 zu 2/3 zwischen den klagenden Pflichtteilsberechtigten und der beklagten Erbin aufgeteilt.
Nach diesem Urteil musste damit zunächst die Erbin aktiv werden und ein vollständiges und ordnungsgemäßes Nachlassverzeichnis erstellen.
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