Schiedsgericht kann Streit über den Pflichtteil entscheiden
- Wenn sich alle einig sind, kann man einen Streit von einem Schiedsgericht entscheiden lassen
- Ein Schiedsgericht ist gewöhnlich kompetent besetzt
- Auch ein Schiedsgericht verursacht Kosten
Pflichtteilsansprüche sind gemeinhin überaus streitträchtig.
Dies liegt nicht nur an der überaus komplexen rechtlichen Materie, sondern ist oft auch durch die Emotionalität der beteiligten Personen begründet.
Auf der einen Seite steht der Pflichtteilsberechtigte, der soeben im Rahmen der Testamentseröffnung erfahren hat, dass er vom Erblasser von der Erbfolge ausgeschlossen wurde.
Auf der andere Seite eines Pflichtteilsstreits steht der Erbe, dem der Nachlass nach dem Wunsch des Erblassers zufällt und der sich unmittelbar nach Eintritt des Erbfalls Aufforderungsschreiben des Pflichtteilsberechtigten ausgesetzt sieht, mit denen umfangreiche Auskunfts- und erhebliche Zahlungsansprüche geltend gemacht werden.
Erbe und Pflichtteilsberechtigter kooperieren nur selten
Erschwerend kommt in vielen Fällen hinzu, dass Erbe und Pflichtteilsberechtigter regelmäßig eine gemeinsame Vergangenheit haben, die ein kooperatives Umgehen zuweilen zusätzlich erschwert.
Vor diesem Hintergrund landen Auseinadersetzungen um den Pflichtteil nicht selten vor den staatlichen Gerichten. Dort ist dann ein Richter dazu berufen, die Wogen zu glätten und die Begründetheit der geltend gemachten Ansprüche zu überprüfen.
Ein Prozess vor einem staatlichen Gericht muss aber nicht zwangsläufig eine für alle Beteiligten erfreuliche Veranstaltung sein. Ein Gerichtsverfahren kostet die Parteien in aller Regel, viel Geld, viel Zeit und noch mehr Nerven.
Ein Berufsrichter entscheidet den Pflichtteilsstreit
Man hat als Kläger oder Beklagter insbesondere keinen Einfluss auf die Auswahl des Richters, der am Ende über den Streit entscheiden wird. Dies versteht sich auf der einen Seite vor dem Hintergrund der vom Richter erwarteten Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von selber.
Auf der anderen Seite ist man als Kläger oder Beklagter aber auch nicht davor gefeit, mit seinem hochpersönlichen Erbschaftsstreit an einen Richter zu geraten, der die letzten zehn Jahre bei der Staatsanwaltschaft zugebracht hat, sich dort ausschließlich mit strafrechtlichen Sachverhalten beschäftigt hat und nunmehr nach seiner Versetzung an das Landgericht eine neue berufliche Herausforderung als Richter sucht.
Dass dem Richter in einem solchen Fall die Erfahrung für erbrechtliche Zusammenhänge fehlt, liegt auf der Hand.
Staatliche Gerichtsverfahren sind grundsätzlich öffentlich
Was den Beteiligten eines Pflichtteilsstreits manchmal auch unangenehm ist, ist die Tatsache, dass ein Rechtsstreit vor einem staatlichen Gericht grundsätzlich eine öffentliche Angelegenheit ist.
Es ist nicht jedermanns Sache, familiäre Belange und hochnotpersönliche Fragen in Zusammenhang mit dem Pflichtteilsanspruch vor einem staatlichen Gericht auszubreiten, wenn im Zuhörerraum des Gerichtssaals eine Schulklasse mit 30 mehr oder weniger interessiert lauschenden Zehntklässlern sitzt.
Mit einem Schiedsverfahren den Gerichtsprozess vermeiden
Wenig bekannt ist, dass es für Pflichtteilsberechtigten und Erben eine Möglichkeit gibt, einen Prozess vor dem staatlichen Gericht zu vermeiden. Wenn Erbe und Pflichtteilsberechtigter ihre wechselseitigen Ansprüche zwar nicht alleine sortieren können, so sind sie zur Beilegung des Streits doch nicht darauf angewiesen, die staatlichen Gerichte zu bemühen.
§ 1029 ZPO (Zivilprozessordnung) sieht nämlich vor, dass sich Erbe und Pflichtteilsberechtigter einer Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterwerfen können. Ein solches Schiedsgerichtsverfahren ersetzt dann das Verfahren vor den staatlichen Gerichten.
Zwingende Voraussetzung für die Einleitung eines Schiedsgerichtsverfahrens ist es, dass sich Erbe und Pflichtteilsberechtigter einig sind, dass sie ein solches Verfahren durchführen wollen.
Von der wohl herrschenden Meinung wird es hingegen heute noch abgelehnt, dass der Erblasser selber in seinem Testament mit bindender Wirkung anordnen kann, dass Erbe und Pflichtteilsberechtigter im Streitfall ein Schiedsgericht aufzusuchen haben.
Die Vorteile eines Schiedsgerichtsverfahrens
Ein wesentlicher Vorteil eines Schiedsgerichtsverfahrens besteht darin, dass Erbe und Pflichtteilsberechtigter über die Person des oder der Schiedsrichter selber bestimmen können. Es gibt mittlerweile genügend Interessenorganisationen in Deutschland, die sich dem Erbrecht verschrieben haben und gerne dabei behilflich sind, geeignete Schiedsrichter zu benennen.
Ob man sich im Rahmen des Schiedsverfahrens dann für einen oder drei Schiedsrichter entscheidet, einen mit dem Erbrecht vertrauten Notar, einen Richter oder einen Fachanwalt für Erbrecht als Schiedsrichter einsetzt, ist im Ergebnis zwar kostenrelevant, aber nicht kriegsentscheidend.
Man hat bei Auswahl des richtigen Schiedsgerichts jedenfalls die Gewähr, dass über den Streit Personen entscheiden, die auf dem Gebiet des Erbrechts und bei der Anwendung erbrechtlicher Normen über eine oft jahrzehnte lange Erfahrung verfügen.
Ein Schiedsverfahren ist nicht öffentlich
Ein Schiedsgerichtsverfahren ist weiter nicht öffentlich. An den Verhandlungen vor dem Schiedsgericht nehmen regelmäßig nur die Parteien, deren Anwälte und der oder die Schiedsrichter teil. Die Wahrung der Privatsphäre ist auf diesem Weg sichergestellt.
Ein Schiedsgerichtsverfahren ist schließlich in aller Regel nach einer Instanz abgeschlossen und damit schneller als ein Verfahren vor den staatlichen Gerichten. Nur unter sehr engen und in § 1059 ZPO abschließend aufgeführten Voraussetzungen kann bei einem staatlichen Gericht die Aufhebung eines Schiedsspruchs beantragt werden.
Grundlage einer Schiedsgerichtsvereinbarung kann zum Beispiel die Schiedsordnung der Deutschen Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE) sein.
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