Schadensersatzanspruch gegen den Betreuer, wenn der eine belastete Erbschaft nicht ausschlägt?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Hamm – Urteil vom 11.05.2017 – 10 U 72/16

  • Mann setzt seine unter Betreuung stehende Frau als Vorerbin ein
  • Erbin der Ehefrau beansprucht geerbten Pflichtteil für sich
  • Alternativ fordert die Erbin der Ehefrau Schadensersatz vom Betreuer

Das Oberlandesgericht Hamm hatte über einen Schadensersatzanspruch gegen einen Betreuer zu entscheiden.

In der Angelegenheit hatten sich Eheleute mit gemeinsamen Testament vom 13.04.2008 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Nach dem Willen der Eheleute sollte eine Großnichte der Ehefrau, die spätere Klägerin, Schlusserbin nach dem Tod des zuletzt versterbenden Partners sein.

Im März 2013 regte der Ehemann beim Betreuungsgericht für sich selber und seine Ehefrau die Einrichtung einer Betreuung an. Betreuer sollte ein Bekannter des Ehemannes, der spätere Beklagte, werden. Dieser wurde vom Gericht auch als Betreuer bestellt.

Ehemann widerruft sein Testament

Im November 2013 widerrief der Ehemann mit notarieller Urkunde gegenüber seiner Frau seine in dem gemeinsamen Testament vom 13.04.2008 enthaltenen Verfügungen. Am 18.11.2013 wurde dieser Widerruf dem Betreuer der Ehefrau zugestellt.

Am 22.11.2013 verfasste der Ehemann ein weiteres Testament. Er setzte in diesem Testament seine Ehefrau als Vorerbin und den Betreuer sowie dessen Ehefrau als Nacherben ein.

Der Ehemann verstarb im Jahr 2015. Am 16.04.2015 wurde das Testament vom 22.11.2013 eröffnet und sowohl der Ehefrau als auch dem Betreuer bekannt gemacht.

Nachfolgend verstarb auch die Ehefrau im Jahr 2015.

Erbin der Ehefrau versucht an den Pflichtteil der Ehefrau zu kommen

Am 09.09.2015 erfuhr die Großnichte der Ehefrau von dem zeitlich späteren Testament des Ehemannes vom 22.11.2013.

Am 13.11.2015 schlug die Großnichte der Ehefrau als Erbin der Ehefrau des Ehemannes deren Einsetzung als Vorerbin durch das Testament vom 22.11.2013 aus.

Nachfolgend forderte die Großnichte von dem Betreuer als Erben des Ehemannes einen – von ihr geerbten – Pflichtteilsanspruch der Ehefrau. Sie vertrat die Auffassung, dass sie die Vorerbschaft der Ehefrau wirksam und vor allem fristgerecht ausgeschlagen habe.

Großnichte verlangt alternativ Schadensersatz vom Betreuer

Hilfsweise machte die Großnichte einen Pflichtteilsanspruch gegen den Betreuer geltend, da es dieser versäumt habe, nach dem Tod des Ehemannes die Vorerbschaft der Ehefrau auszuschlagen und den Pflichtteil zu fordern.

Die von der Großnichte in der Folge erhobene Klage wurde in zwei Instanzen als unbegründet abgewiesen.

Wie bereits das Landgericht in erster Instanz wies auch das Oberlandesgericht in der Berufung darauf hin, dass der Klägerin kein – geerbter – Pflichtteilsanspruch zusteht.

Vorerbschaft wurde nicht rechtzeitig ausgeschlagen

Weder die Ehefrau selber noch der beklagte Betreuer hätten die Vorerbschaft der Ehefrau nach dem Tod des Ehemannes ausgeschlagen. Als die Ehefrau verstarb, konnte das Recht zur Ausschlagung der Vorerbschaft auch nicht auf die Klägerin als Erbin übergehen. Zum Zeitpunkt des Ablebens der Ehefrau sei das Recht zur Ausschlagung der Vorerbschaft nämlich bereits wegen Fristablauf erloschen. Die von der Klägerin selber erklärte Ausschlagung erfolgte mithin zu spät.

Ein Anspruch der Klägerin gegen den beklagten Betreuer ergab sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Betreuer verpflichtet gewesen wäre, für die unter Betreuung stehende Ehefrau die Vorerbschaft nach dem Tod des Ehemannes nach § 2306 BGB auszuschlagen.

Durch eine Ausschlagung der Vorerbschaft hätte sich nämlich die wirtschaftliche Lage der Ehefrau verschlechtert. Eine Pflichtverletzung durch den Betreuer, der keine Ausschlagung der Vorerbschaft erklärt hatte, konnten die Richter am OLG vor diesem Hintergrund nicht erkennen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Vorerbschaft – anders als der Anspruch auf den Pflichtteil – nicht in den Nachlass der Ehefrau fiel.

Die klagende Großnichte der Ehefrau musste nach dieser Entscheidung des OLG damit leben, dass sie an dem Vermögen des Ehemannes nicht partizipierte.

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