Wie wirkt sich ein Erbverzicht auf die Pflichtteilsquote aus?
OLG Köln – Urteil vom 21.01.2021 – 24 U 48/20
- Tochter der Erblasserin erklärt im Jahr 1985 einen Erbverzicht
- Im Jahr 2010 wird die verzichtende Tochter in einem notariellen Testament als Alleinerbin eingesetzt
- Wie wirkt sich das auf den Pflichtteil einer weiteren Tochter der Erblasserin aus?
Das Oberlandesgericht Köln hatte einen Pflichtteilsstreit zwischen zwei Schwestern zu klären.
In der Angelegenheit war die Mutter zweier Töchter verstorben.
Die Erblasserin hinterließ ein Vermögen in Höhe von 1.035.394 Euro.
Tochter verzichtet wirksam auf ihr Erbrecht
Die Erblasserin hatte mit der Tochter A am 29.01.1985 einen wirksamen Vertrag abgeschlossen, wonach die Tochter A auf ihr Erbrecht verzichtet.
Ungeachtet dieses von der Tochter A erklärten Erbverzichts errichtete die Mutter am 22.03.2010 ein notarielles Testament, in dem sie die Tochter A als alleinige Erbin einsetzte.
Die Tochter B war nach den Bestimmungen dieses notariellen Testaments mithin von der Erbfolge ausgeschlossen und grundsätzlich pflichtteilsberechtigt.
Schwester der Alleinerbin fordert ihren Pflichtteil
Nach dem Ableben der Mutter forderte die Schwester B dann auch von der Schwester A ihren Pflichtteil ein.
In der Folge kam aber bereits zwischen den beiden Schwestern Streit über die Frage auf, welche Pflichtteilsquote der Schwester B zustehen würde.
Die Schwester A vertrat nämlich die Auffassung, dass der von ihr erklärte Erbverzicht aus dem Jahr 1985 nach dem Willen der Erblasserin durch das notarielle Testament aus dem Jahr 2010 aufgehoben worden sei.
Steckt in dem Testament eine Aufhebung des Erbverzichts?
Nach Auffassung der pflichtteilsberechtigten Schwester B sei in dem notariellen Testament aus dem Jahr 2010 keine Aufhebung des Erbverzichts zu sehen, da durch das Testament bereits die Form des § 2351 BGB für die Aufhebung des Erbverzichts nicht gewahrt worden sei.
Die pflichtteilsberechtigte Schwester B ging mithin von einer Pflichtteilsquote von 50% aus, die Schwester A wollte nur eine Pflichtteilsquote von 25% akzeptieren.
Nachdem sich die Schwestern außergerichtlich nicht einigen konnten, ging die Sache zu Gericht.
Gericht nimmt eine Pflichtteilsquote von 50% an
Vor dem Landgericht erkannte die Schwester A einen Betrag in Höhe von 143.823 Euro als berechtigte Forderung ihrer Schwester B an.
Über diesen Betrag hinaus wurde die Schwester A aber vom Landgericht zur Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 358.584 Euro verurteilt.
Das Landgericht ging danach von einer Pflichtteilsquote in Höhe von 50% zugunsten der Schwester B aus.
Gegen dieses Urteil legte die Schwester A Berufung zum Oberlandesgericht ein.
OLG weist Berufung als unbegründet zurück
Das OLG wies die Berufung aber als unbegründet zurück.
Das OLG wies in der Begründung seiner Entscheidung darauf hin, dass zur Ermittlung der Pflichtteilsquote zunächst die gesetzliche Erbquote des Pflichtteilsberechtigten ermittelt werden müsse.
Ebenso wie das Landgericht kam das OLG zu dem Ergebnis, dass die Schwester B (hypothetisch) Alleinerbin ihrer Mutter geworden wäre, da die Schwester A im Jahr 1985 wirksam auf ihr Erbrecht verzichtet habe.
Die Pflichtteilsquote betrug damit die Hälfte der gesetzlichen Erbquote, mithin 50%.
Testament ändert am Erbverzicht nichts
An diesem Ergebnis änderte auch der Umstand nichts, dass die Schwester A mit notariellem Testament vom 22.03.2010 von ihrer Mutter als alleinige Erbin eingesetzt worden war.
Für eine Aufhebung eines wirksamen Erbverzichts sei nämlich nach § 2351 BGB wiederum ein Vertragsschluss vor einem Notar zwischen Erblasser und Verzichtendem erforderlich.
Dem notariellen Testament aus dem Jahr 2010 war aber bereits keine Regelung zu einer Aufhebung des Erbverzichts zu entnehmen.
Die Pflichtteilsquote beträgt 50%
Weiter stellte das OLG fest, dass die Schwester A in der notariellen Testamentsurkunde aus dem Jahr 2010 gar nicht erwähnt wurde und an dem Beurkundungsvorgang auch nicht teilgenommen habe.
Eine wirksame Aufhebung des Erbverzichts durch das Testament schloss das OLG vor diesem Hintergrund aus.
Es verblieb damit dabei, dass die Schwester B mit einer Pflichtteilsquote in Höhe von 50% an dem Nachlass ihrer Mutter zu beteiligen war.
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