Notar verweigert in einem Pflichtteilsstreit die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnis – Gericht verpflichtet ihn zum Tätigwerden!
BGH – Beschluss vom 19.06.2024 – IV ZB 13/23
- Erbin beauftragt einen Notar mit der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses
- Nach über einem Jahr lehnt der Notar die Ausführung des Auftrages ab
- BGH hält die Argumente des Notars nicht für stichhaltig
Der Bundesgerichtshof hatte die Frage zu klären, unter welchen Umständen ein Notar die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses verweigern kann.
Die Angelegenheit hatte zunächst als gewöhnlicher Pflichtteilsstreit begonnen.
Ein Erblasser war am 10.03.2020 verstorben.
Eine Erbin soll ein notarielles Nachlassverzeichnis vorlegen
Alleinige Erbin des Verstorbenen war seine Lebensgefährtin.
Ein Pflichtteilsberechtigter hatte gegen die Erbin daraufhin eine Klage auf Zahlung seines Pflichtteils erhoben.
Im Zuge dieses Klageverfahrens war die Erbin zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt worden.
Die Erbin wollte dieser Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses auch nachkommen und beauftragte im Februar 2021 einen Notar mit der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses.
Der Notar beginnt mit seinen Recherchen zum Nachlass
Um das Nachlassvermögen festzustellen recherchierte der Notar sodann im Grundbuch und bat zehn Kreditinstitute um Auskunft über Geschäftsverbindungen zum Erblasser.
Gleichzeitig forderte der Notar die Erbin zur Vorlage von Unterlagen zum Erblasservermögen auf.
Dieser Bitte kam die Erbin auch nach, äußerte aber Bedenken, ob die Unterlagen vollständig seien.
Angaben zu pflichtteilsrelevanten Schenkungen des Verstorbenen wurden von der Erbin dabei nur sehr rudimentär gemacht.
Notar lehnt die weitere Ausführung des Auftrages ab
Im Juni 2022 teilte der Notar der Erbin dann mit, dass er den ihm erteilten Auftrag zur Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses ablehnen müsse.
Zur Begründung seiner Weigerung verwies der Notar darauf, dass er sich in Anbetracht der Informationslage nicht in der Lage sehe, „ein den hohen Anforderungen der Rechtsprechung genügendes Nachlassverzeichnis aufzunehmen.“
Der Notar beklagte in diesem Zusammenhang u.a., dass seine eigenen Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien und dass die Erbin selber keine hinreichend belastbaren Angaben zum Nachlass gemacht habe.
Insgesamt wies der Notar darauf hin, dass die Erbin ihrer Mitwirkungspflicht bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses nicht ordentlich nachgekommen sei.
Die Erstellung des Nachlassverzeichnisses kostet den Notar zuviel Zeit
Weiter verwies der Notar noch darauf, dass ihm die Aufstellung des Nachlassverzeichnisses nicht zumutbar sei, da die Aufgabe zuviel Zeit in Anspruch nehmen würde.
Gegen die Weigerung des Notars legte die Erbin Beschwerde zum Landgericht ein.
Das Landgericht lehnte diese Beschwerde als unbegründet ab.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts legte die Erbin dann aber Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ein.
BGH verpflichtet den Notar zum Tätigwerden
Der BGH korrigierte die Entscheidung des Landgerichts und wies den Notar an, das beauftragte Nachlassverzeichnis zu erstellen.
Der BGH urteilte, dass der Notar nicht berechtigt war, die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses abzulehnen.
Der BGH stellte in seiner Entscheidung fest, dass es der Notar jedenfalls verabsäumt habe, nahe
liegende Nachforschungen anzustellen.
Insbesondere zu pflichtteilsrelevanten Schenkungen des Erblassers hätte der Notar, so der BGH, vorliegende Kontoauszüge auf Hinweise untersuchen und Zeugen befragen müssen.
Diese Kontoauszüge hätte sich der Notar entweder selber oder über die Erbin gegebenenfalls für die letzten zehn Jahre besorgen müssen.
Unklarheiten berechtigen den Notar nicht zur Einstellung seiner Bemühungen
Bestehen bleibende Unklarheiten über den pflichtteilsrelevanten Nachlass würden den Notar jedenfalls nicht zur Verweigerung seiner Amtstätigkeit berechtigen.
Für ebenfalls komplett unbeachtlich bewertete der BGH den Hinweis des Notars auf die Zeitintensität im Hinblick auf die Erstellung des Nachlassverzeichnisses.
Der Notar habe als Träger eines öffentlichen Amtes unabhängig von dem entstehenden zeitlichen Aufwand grundsätzlich die Pflicht zur Amtsbereitschaft.
Im Ergebnis musste sich der Notar nach dieser Entscheidung nochmals und etwas intensiver mit der Angelegenheit beschäftigen.Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.
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