Pflichtteil: Ist ein notarielles Nachlassverzeichnis nicht vollständig, so kann gegen den Erben ein Zwangsgeld festgesetzt werden!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Koblenz – Beschluss vom 30.04.2018 – 1 W 65/18

  • Erbe schuldet dem Pflichtteilsberechtigten ein notarielles Nachlassverzeichnis
  • Das vom Erben gelieferte Nachlassverzeichnis ist grob unvollständig
  • Gericht setzt gegen den Erben ein Zwangsgeld fest

Das Oberlandesgericht Koblenz hatte einen Streit zwischen einem Erben und einem Pflichtteilsberechtigten über ein Zwangsgeld zu entscheiden.

In der Angelegenheit hatte der Pflichtteilsberechtigte gegen den Erben ein Urteil erstritten, wonach der Erbe verpflichtet war, ein notarielles Verzeichnis über einen Nachlass vorzulegen.

Das Verzeichnis wurde in der Folge von einem Notar erstellt und dem Pflichtteilsberechtigten übermittelt.

Pflichtteilsberechtigter hält das Nachlassverzeichnis für mangelhaft

Der Pflichtteilsberechtigte monierte dieses Nachlassverzeichnis als unvollständig. Der Notar sei insbesondere seiner Pflicht zur Überprüfung der Auszüge für Nachlasskonten für die letzten zehn Jahre nicht nachgekommen.

Der Pflichtteilsberechtigte beantragte daher bei Gericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Erben zur Erfüllung der Verpflichtung des Erben zur Vorlage eines ordnungsgemäßen notariellen Nachlassverzeichnisses.

Das Landgericht lehnte den Antrag des Pflichtteilsberechtigten auf Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Erben noch als unbegründet ab.

Landgericht weist den Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes ab

Nach Auffassung des Landgerichts hatte der Erbe ein durchaus vollständiges Nachlassverzeichnis vorgelegt.

Gegen diese Entscheidung der ersten Instanz legte der Pflichtteilsberechtigte aber Beschwerde zum Oberlandesgericht ein und bekam dort auch Recht.

Das OLG setzte gegen den Erben ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro, ersatzweise Zwangshaft fest.

Im Gegensatz zum Landgericht war das OLG nämlich der Meinung, dass in dem notariellen Nachlassverzeichnis sämtliche Einwände des Pflichtteilsberechtigten mit der gebotenen Sorgfalt abgehandelt worden waren.

Notar geht einer Erbschaft der Erblasserin nicht nach

So hatte der Pflichtteilsberechtigte darauf hingewiesen, dass der Erblasserin unlängst selber eine Erbschaft über rund 230.000 Euro gemacht hatte.

Dieses Geld tauchte aber auf wundersame Weise nicht im Nachlassverzeichnis auf und der Notar war auch offensichtlich nicht der Frage nachgegangen, wo das Vermögen geblieben war.

Grundlegend wies das OLG in diesem Zusammenhang für das Verhältnis zwischen Erbe und Notar auf folgendes hin:

„Der Maßstab für die Beurteilung, ob die Auskunft vollständig gegeben wurde, … richtet sich nach dem Kenntnisstand und den Erkenntnismöglichkeiten des Auskunftspflichtigen.
Die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses betrifft lediglich die für die Erfüllung der Auskunftspflicht vorgegebene Form.
Die zu deren Einhaltung erforderliche Mitwirkung des Notars ändert nichts daran, dass auch das notarielle Nachlassverzeichnis eine Erfüllung der Auskunftspflicht des Erben ist, der die Verantwortung für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit trägt.“

Im Ergebnis mussten Erbe und Notar damit das Nachlassverzeichnis noch einmal nacharbeiten.

In der vorliegenden Ausgestaltung konnte das Nachlassverzeichnis nicht den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten erfüllen.

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