Nachlassimmobilie wird Jahre nach dem Erbfall teuer verkauft – Hat das Auswirkungen auf den Pflichtteil?
- Entscheidend für den Pflichtteil ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls
- Bundesgerichtshof macht bei Nachlassimmobilien eine Ausnahme
- Hier kann der spätere Verkaufswert maßgeblich sein
Bei einem Streit um den Pflichtteil dreht sich fast alles um die Zusammensetzung und den Wert des Nachlasses.
Oft versuchen Erben den Pflichtteilsanspruch durch nur sehr unvollständige Angaben zum Bestand des Nachlasses zu minimieren.
Eine zweite Verteidigungsstrategie der Erben besteht darin, den Wert einzelner Nachlassgegenstände als nur sehr gering anzugeben.
Erbe muss Gutachten vorlegen
Zwar ist der Erbe auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten verpflichtet, den Wert einzelner Nachlassgegenstände durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu untermauern.
Nachdem der Erbe aber Auftraggeber des Sachverständigen ist, soll es bereits vorgekommen sein, dass Gutachten zu teilweise absurd niedrigen Wertschätzungen einzelner Nachlassgegenstände gekommen sind.
Von solchen Vorgängen sind unter anderem auch Sachverständigengutachten über den Wert von Nachlassimmobilien betroffen.
Gutachten können parteiisch ausfallen
Gerade bei größeren Immobilien bieten verschiedene Wertermittlungsmethoden und ein beispielsweise erst unlängst entdeckter Sanierungsrückstand genügend Anhaltspunkte, um den für den Pflichtteil entscheidenden Verkehrswert kraft Gutachten spürbar nach unten zu schrauben.
Der Pflichtteilsberechtigte, der mit einer solchen Strategie des Erben konfrontiert wird, hat dann die Möglichkeit, ein eigenes kostspieliges Gutachten in Auftrag zu geben.
Unter Umständen kann sich der Pflichtteilsberechtigte ein solches Gutachten aber auch sparen:
Wert des Nachlassgegenstandes zum Zeitpunkt des Erbfalls ist entscheidend
Grundsätzlich wird nach § 2311 BGB nämlich bei der Berechnung des Pflichtteils der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt.
Um diesen Wert zu bestimmen, sind grundsätzlich Gutachter gefragt.
Spätere Wertsteigerungen eines Nachlassgegenstandes haben nach diesem Stichtagsprinzip auf die Höhe des Pflichtteils auch nach ganz herrschender Meinung keinen Einfluss.
Von diesem allgemein anerkannten Prinzip hat der Bundesgerichtshof aber in einem Urteil aus dem Jahr 1992 eine wichtige Ausnahme gemacht (BGH, Urteil vom 14.10.1992, IV ZR 211/91).
Verkauf eines Nachlassgrundstücks Jahre nach dem Erbfall
Wird ein Nachlassgrundstück nämlich auch Jahre nach dem Erbfall vom Erben zu einem zu einem erheblich höheren als ehedem vom Sachverständigen für den Pflichtteil geschätzten Preis verkauft, dann gilt unter Umständen der höhere Verkaufspreis als Grundlage für die Ermittlung des Pflichtteils.
Wörtlich hat der BGH hierzu folgendes ausgeführt:
Wenn Nachlassgrundstücke fünf Jahre nach dem Erbfall erheblich teurer als von Sachverständigen geschätzt veräußert werden, der Pflichtteilsberechtigte im wesentlichen unveränderte Marktverhältnisse seit dem Erbfall nachweist und die Erben keine wesentliche Veränderung der Bausubstanz in der Zwischenzeit darlegen können, ist der Verkehrswert der Grundstücke grundsätzlich aus den tatsächlich erzielten Preisen unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Bodenpreise rückschließend zu bestimmen.
Nachdem der Pflichtteilsberechtigte regelmäßig ein berechtigtes Interesse an einer Grundbucheinsicht hat, ist es bei zeitnahem Verkauf von Nachlassgrundstücken durch den Erben auch kein Problem, Kenntnis von den zugrunde liegenden Notarverträgen und damit auch von den erzielten Veräußerungserlöse zu erlangen.
Der Pflichtteilsberechtigte muss nur klären, ob sein Pflichtteilsanspruch im konkreten Fall nicht bereits der Verjährung unterliegt.
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