Erbe wird mit ungewissen Forderungen konfrontiert – Kann er die Auszahlung des Pflichtteils bis zur Klärung verweigern?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Koblenz – Beschluss vom 14.08.2020 – 12 W 173/20

  • Pflichtteil wird gegen Erbin beziffert eingeklagt
  • Erbin verteidigt sich vor Gericht mit ungewisser Nachlassverbindlichkeit
  • Ungewisse Nachlassverbindlichkeiten schmälern den Pflichtteil zunächst nicht

Das Oberlandesgericht Koblenz hatte einen Streit zwischen einer Erbin und einer Pflichtteilsberechtigten zu klären.

Eine Pflichtteilsberechtigte hatte nach dem Tod ihrer Mutter gegenüber der Erbin einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 7.148,65 Euro geltend gemacht.

Nachdem die Pflichtteilsberechtigte Klage gegen die Erbin erhoben hatte erkannte die Erbin die gegen sie gerichteten Ansprüche dem Grunde nach durchaus an.

Erbin beantragt vor Gericht die Abweisung der Klage

Die Erbin beantragte vor Gericht aber trotzdem, die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte die Erbin an, dass gegen sie von einem weiteren Pflichtteilsberechtigten ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 57.000 Euro gegen sie geltend gemacht wird.

Die Erbin verwies darauf, dass sie in Anbetracht dieser zwar strittigen aber trotzdem  gegen den Nachlass gerichteten Forderung nicht in der Lage sei zu beurteilen, ob der mit der Klage geltend gemachte Pflichtteilsanspruch in Höhe von 7.148,65 Euro tatsächlich besteht.

In der Folge beruhigte sich das Geschehen.

Parteien einigen sich durch Vergleich

Die von dritter Seite erhobene Pflichtteilsforderung in Höhe von 57.000 Euro wurde fallen gelassen. Daraufhin beglich die Erbin die Pflichtteilsforderung der Klägerin in der Höhe, die ihr zutreffend erschien.

Über den streitigen Restbetrag schlossen die Parteien dann vor Gericht einen Vergleich.

Im Rahmen des Vergleichs vereinbarten die Parteien, dass das Landgericht über die Kosten des Verfahrens entscheiden soll.

Das Landgericht entschied daraufhin, dass die klagende Pflichtteilsberechtigte nur 7% der aufgelaufenen Anwalts- und Gerichtskosten übernehmen muss, die beklagte Erbin hingegen die restlichen 93%.

Der Erbin sind die Kosten zu hoch

Mit dieser Kostenregelung war die Erbin aber nicht einverstanden und legte sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Das OLG wies die Beschwerde aber als unbegründet ab.

Das OLG verwies in der Begründung seiner Entscheidung auf die Vorschrift in § 2313 BGB.

Danach würden ungewisse und bestrittene Verbindlichkeiten, wie vorliegend der behauptete Pflichtteilsanspruch des Dritten in Höhe von 57.000 Euro, bei der für den Pflichtteil wesentlichen Feststellung des Wertes des Nachlasses außer Ansatz bleiben.

OLG gibt der Pflichtteilsberechtigten Recht

Dies vorausgeschickt stellte das OLG fest, dass die Pflichtteilsberechtigte ihren Anspruch der Höhe nach im Wesentlichen zutreffend beziffert habe.

Die Erbin hätte den gegen sie geltend gemachten Pflichtteilsanspruch der Klägerin zunächst unter Außerachtlassung des bestrittenen Pflichtteilanspruchs des Dritten regulieren müssen.

Wäre an dem Anspruch des Dritten etwas dran gewesen, hätte sich das natürlich im Nachhinein auch auf die Pflichtteilsforderung der Klägerin ausgewirkt und hätte gegebenenfalls zu einem Rückabwicklungsverhältnis geführt.

Im Ergebnis hatte die Pflichtteilsberechtigte aber viel und die Erbin wenig richtig gemacht.

Die vom Landgericht getroffene Kostenverteilung fand daher auch die Billigung des Beschwerdegerichts.

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