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Enkelkind fordert nach dem Tod eines Großelternteils seinen Pflichtteil – Mögliche Anrechnung von Zuwendungen des Erblassers an den Elternteil des pflichtteilsberechtigten Enkelkindes!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Pflichtteil von Enkeln wird nach herkömmlichen Grundsätzen abgewickelt
  • Lebzeitige Zuwendungen des verstorbenen Großelternteils können den Pflichtteil des Enkels mindern
  • Sowohl Zuwendungen an den Enkel selber als auch Zuwendungen an den vorverstorbenen Elternteil des Enkels sind relevant

Es kommt durchaus vor, dass Enkelkinder nach dem Ableben eines Großelternteils einen Anspruch auf den Pflichtteil haben.

Voraussetzung für eine solche Konstellation ist lediglich, dass der Elternteil des Enkelkindes, der von dem Großelternteil abstammt, bereits vorverstorben ist und der Großelternteil ein Testament oder einen Erbvertrag hinterlassen hat, mit dem das Enkelkind von der Erbfolge ausgeschlossen wurde.

Wie berechnet sich der Pflichtteil des Enkels?

Der in diesem Fall zugunsten des Enkelkindes bestehende Pflichtteilsanspruch berechnet sich nach den allgemeinen Regeln.

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Beispiel:
Großvater A hat zwei Söhne X und Y.
Sohn Y hat eine Tochter E.
Sohn Y verstirbt im Jahr 2019.
Großvater A errichtet im Jahr 2020 ein Testament und setzt den Sohn X als Alleinerben ein.
Nach dem Tod des Großvaters A steht seiner Enkelin E ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 25% des Nachlasswertes gegen den Sohn X zu.

Im vorstehenden Beispielsfall berechnet sich der Pflichtteilsanspruch der Enkelin E gegen den Erben X grundsätzlich nach den allgemeinen Pflichtteilsregeln.

Lebzeitige Zuwendungen können den Pflichtteil mindern

Der Wert des gesamten Nachlasses ist zu ermitteln und auf dieser Basis steht der Enkelin E ein Geldanspruch in Höhe von 25% des Nachlasswertes zu.

Selbstverständlich gelten für die Enkelin aber auch die Anrechnungs- und Ausgleichungsvorschriften in § 2315 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und § 2316 BGB.

Hat die Enkelin mithin zu Lebzeiten von ihrem Großvater Zuwendungen mit der Bestimmung erhalten, dass sie sich diese Zuwendungen dereinst auf ihren Pflichtteil anrechnen lassen muss, dann schmälert dies den Wert des Pflichtteils.

Eine Reduzierung des Pflichtteils der Enkelin tritt weiter ein, wenn sie vom Großvater Zuwendungen im Sinne von § 2050 BGB erhalten hat.

Wer war Empfänger der Zuwendung?

Sowohl die Anrechnungsvorschrift in § 2315 BGB als auch die Ausgleichungspflicht nach § 2316 BGB folgen dem Grundsatz, dass eine Zuwendung, die auf den Pflichtteil angerechnet werden soll, vom Erblasser direkt an den Pflichtteilsberechtigten selber erfolgt sein muss.

Im vorstehenden Beispielsfall also vom Großvater an seine Enkelin.

Von diesem Grundsatz macht aber § 2315 Abs. 3 BGB eine Ausnahme.

Auch Zuwendungen an das Elternteil können relevant sein

Danach gilt folgendes:

Ist der Pflichtteilsberechtigte ein Abkömmling des Erblassers, so findet die Vorschrift des § 2051 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung.

Über die Vorschrift in § 2315 Abs. 3 BGB werden für den Pflichtteil des Enkelkindes also auch Zuwendungen des Erblassers an einen vorverstorbenen Abkömmling relevant.

Hat also in dem vorstehenden Beispielsfall der Großvater seinem Sohn Y Zuwendungen zukommen lassen, die nach § 2050 BGB ausgleichungspflichtig wären, dann können diese Zuwendungen an den Sohn Y im Ergebnis den Pflichtteil der Enkelin E mindern.

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