Pflichtteilsergänzung wegen Schenkung des Erblassers – Hat der Pflichtteilsberechtigte selber Geschenke erhalten?
- Eigengeschenke an den Pflichtteilsberechtigten mindern den Ergänzungsanspruch
- Es gilt für Eigengeschenke keine zeitliche Grenze
- Nur Geschenke an den Pflichtteilsberechtigten selber sind relevant
Wenn nach erfolgter Testamentseröffnung feststeht, dass der Erblasser nächste Familienangehörige von der Erbfolge ausgeschlossen hat, dann bringen sich die Parteien regelmäßig in Stellung, um zu klären, ob und in welcher Höhe Pflichtteilsansprüche zu regulieren sind.
Der Pflichtteil nach den §§ 2303 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist ein gesetzlich garantierter Erbersatzanspruch, der insbesondere immer dann eingreift, wenn der Erblasser in seinem Testament oder in einem Erbvertrag einen Abkömmling (Kind, Enkel, Urenkel) oder seinen Ehepartner enterbt hat.
Ist ein Pflichtteilsberechtigter von der Erbfolge ausgeschlossen, so steht ihm dem Grunde nach ein Anspruch in Höhe des Wertes der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils zu.
Der Pflichtteil ist auf Zahlung von Geld gerichtet und ist im Normalfall vom Erben zu regulieren.
Geschenke aus der Vergangenheit beeinflussen den Pflichtteil
Im Rahmen einer Pflichtteilsauseinandersetzung muss oft auch die Vergangenheit aufgerollt werden.
Die Höhe des Pflichtteils bestimmt sich nämlich nicht nur nach dem zum Zeitpunkt des Erbfalls existierenden Vermögens des Erblassers.
Um nämlich zu verhindern, dass der Erblasser sein Vermögen bereits zu Lebzeiten auf dritte Personen (den Erben?) durch Schenkung überträgt und durch solche Schenkungen den Pflichtteil aushöhlt und entwertet, gewährt das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten in § 2325 BGB einen so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Nach einem in § 2325 BGB festgelegten Schema werden Schenkungen des Erblassers nämlich fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet und erhöhen auf diesem Weg den Pflichtteil.
Die in § 2325 BGB zugunsten des Pflichtteilsberechtigten geregelte Pflichtteilsergänzung wegen lebzeitiger Schenkungen des Erblassers ist aber keine Einbahnstraße.
Pflichtteilsberechtigter muss sich Geschenke anrechnen lassen
§ 2327 BGB ordnet nämlich im Gegenzug an, dass sich der Pflichtteilsberechtigte seinerseits Schenkungen, die er vom Erblasser erhalten hat, auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch anrechnen lassen muss:
„Hat der Pflichtteilsberechtigte selbst ein Geschenk von dem Erblasser erhalten, so ist das Geschenk in gleicher Weise wie das dem Dritten gemachte Geschenk dem Nachlass hinzuzurechnen und zugleich dem Pflichtteilsberechtigten auf die Ergänzung anzurechnen.“
Macht der Pflichtteilsberechtigte demnach einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend, muss er damit rechnen, dass Geschenke, die er selber vom Erblasser erhalten hat, diesen Pflichtteilsergänzungsanspruch betragsmäßig schmälern.
Voraussetzung für eine Anrechnung solcher so genannter Eigengeschenke an den Pflichtteilsberechtigten ist zunächst, dass der Erblasser neben dem Pflichtteilsberechtigten zu Lebzeiten noch einer anderen Person ein Geschenk gemacht hat.
Interessant sind nur Geschenke an den Pflichtteilsberechtigten persönlich
Grundsätzlich sind nur Eigengeschenke vom Erblasser an den Pflichtteilsberechtigten selber relevant. Wenn der Erblasser einem Kind des Pflichtteilsberechtigten oder dessen Ehefrau ein Geschenk gemacht hat, so begründet dies keine Anrechnungspflicht nach § 2327 BGB.
Eine zeitliche Schranke – wie bei dem Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB selber – gibt es für die Anrechnung von Eigengeschenken nicht. Auch Geschenke, die länger als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt sind, kommen mithin für eine Anrechnung in Frage.
Die Anrechnung bezieht sich ausdrücklich nur auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB und nicht auf den originären Pflichtteil nach § 2303 BGB.
Die Anrechnung wird dergestalt durchgeführt, dass das Eigengeschenk zunächst dem Nachlass hinzugerechnet und in einem zweiten Schritt von dem so ermittelten Ergänzungsanspruch in voller Höhe wieder abgezogen wird.
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