Rechtsanwalt Dr. Georg Weißenfels ・ Theresienstraße 1 ・ 80333 München

Auch Schenkungen außerhalb des 10-Jahres Zeitraums können für die Pflichtteilsergänzung relevant sein

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Schenkungen unter Eheleuten sind auch außerhalb des 10-Jahres-Zeitraums relevant
  • Wenn sich der Erblasser Nutzungsrechte an dem geschenkten Gegenstand vorbehält, kann es zu einer Verlängerung der Frist kommen
  • Erbe muss über Schenkungen Auskunft erteilen

Das Pflichtteilsrecht ist ein wichtiges Element im deutschen Erbrecht.

Der Pflichtteil nach §§ 2303 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) sichert einem nahen Familienangehörigen eine Mindestbeteiligung am Nachlass, wenn er vom Erblasser von der Erbfolge ausgeschlossen wurde.

Auf der anderen Seite schränkt das Pflichtteilsrecht die Testierfreiheit des Erblassers massiv ein.

Pflichtteil lässt sich kaum umgehen

Nachdem sich das deutsche Recht dafür entschieden hat, nächsten Familienangehörigen mit dem Pflichtteil auch gegen den Willen des Erblassers eine garantierte Mindestbeteiligung am Vermögen des Erblassers zu gewähren, wird dieser Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auch gegen mögliche Manipulationsversuche des Erblassers verteidigt.

Eine der zentralen Vorschriften zum Schutz des Pflichtteils ist der § 2325 BGB. Danach hat der Pflichtteilsberechtigte gegen den Erben einen so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn der Erblasser zu Lebzeiten einem Dritten ein Geschenk gemacht hat. Der Wert dieses Geschenkes wird im Erbfall – jährlich abschmelzend - fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet und erhöht auf diesem Weg den Pflichtteilsanspruch des Berechtigten gegen den Erben.

Durch den Pflichtteilsanspruch nach § 2325 BGB soll verhindert werden, dass der Erblasser noch zu Lebzeiten sein Vermögen ganz oder in Teilen kraft Schenkung weggibt, so seinen Nachlass wertmäßig schmälert und den Pflichtteilsanspruch auf diesem Weg ins Leere laufen lässt.

Zeitliche Begrenzung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird vom Gesetz in zeitlicher Hinsicht nicht schrankenlos gewährt. Vielmehr sind grundsätzlich nur diejenigen Schenkungen für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch relevant, die der Erblasser während der letzten zehn Jahre vor dem Eintritt des Erbfalls getätigt hat.

Insoweit schreibt § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB ausdrücklich vor:

Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.

Liegen also mehr als zehn Jahre zwischen der Schenkung und dem Erbfall, dann fällt in aller Regel ein Pflichtteilsergänzungsanspruch aus. Der Pflichtteilsberechtigte hat es vielmehr in diesem Fall grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen, dass der Erblasser in der Vergangenheit sein Vermögen durch ein Geschenk an eine dritte Person wertmäßig gemindert hat.

Ausnahmen von der 10-Jahres-Frist

Von dem Grundsatz, dass nur Schenkungen des Erblassers innerhalb der 10-Jahres-Frist für die Pflichtteilsergänzung relevant sind, gibt es allerdings wichtige Ausnahmen.

So gilt die 10-Jahres-Frist de facto nicht für Schenkungen unter Eheleuten. Bei Schenkungen unter Eheleuten beginnt die 10-Jahres-Frist nämlich nach § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB „nicht vor der Auflösung der Ehe“.

Hat demnach beispielsweise der Erblasser seiner Ehefrau im Jahr 1990 ein Geschenk gemacht und tritt der Erbfall im Jahr 2015 ein, dann kann ein von der Erbfolge ausgeschlossenes Kind für die 25 Jahre zurückliegende Schenkung einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen.

Erblasser behält sich im Rahmen der Schenkung Nutzungsrechte vor

Einen weiteren wichtigen Fall, bei dem es zu einer beträchtlichen Ausdehnung der 10-Jahres-Frist bei der Pflichtteilsergänzung kommen kann, hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 1994 entschieden (BGH, Urteil vom 27.04.1994, Az.: IV ZR 132/93).

Danach kommt es für den Beginn der 10-Jahres-Frist dann nicht auf den so genannten dinglichen Vollzug der Schenkung an, wenn sich der Erblasser bei der Schenkung an dem geschenkten Gegenstand umfangreiche Nutzungsrechte vorbehalten hat.

Eine Schenkung gilt nach der Rechtsprechung des BGH im Zusammenhang mit § 2325 BGB erst dann als vollzogen, wenn der Erblasser den "Genuß" des verschenkten Gegenstands nach der Schenkung auch tatsächlich entbehren muß (BGHZ 98, 226, 232).

Umfassendes Nutzungsrecht verbleibt beim späteren Erblasser

Wenn der Erblasser bei der Schenkung demnach rechtlich zwar das Eigentum an einem Gegenstand auf eine dritte Person übertragen, sich aber gleichzeitig umfassende Nutzungsrechte an der Sache vorbehalten hat und die Sache nach der Schenkung auch uneingeschränkt weiter für sich nutzte, dann sei es gerechtfertigt, so der BGH, einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auch für die Fälle zu gewähren, in denen die Schenkung mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall zurückliegt.

Der „Klassiker“ dieser durch die Gerichte gemachten Ausnahme von der 10-Jahres-Frist bei der Pflichtteilsergänzung sei durch folgendes Beispiel dargestellt:

Der Vater hat zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter.
Im Jahr 1990 überträgt der Vater dem Sohn durch Schenkung das Eigentum an dem Familienwohnsitz.
Der Vater behält sich im Rahmen der Schenkung den unbeschränkten Nießbrauch an der Immobilie vor, die er auch bis zu seinem Tod nutzt.
Durch Testament setzt der Vater seinen Sohn als alleinigen Erben ein. Die Tochter wird gleichzeitig von der Erbfolge ausgeschlossen.
Der Vater verstirbt im Jahr 2014.
Der Tochter steht gegen den Sohn als alleinigen Erben ein Pflichtteilsanspruch zu. Wegen der Schenkung aus dem Jahr 1990 steht der Tochter auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, obwohl die Schenkung bereits 24 Jahre vor dem Erbfall vollzogen wurde.

Für die Bewertung der Immobilie für die Pflichtteilsergänzung kann aber im Beispielsfall nicht einfach auf den Wert der Immobilie zum Zeitpunkt des Erbfalls abgestellt werden.

Vielmehr kommt in diesen Fällen § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Anwendung und es ist zu prüfen, ob die Immobilie ohne Berücksichtigung der vorbehaltenen Rechte im Zeitpunkt der Umschreibung im Grundbuch inflationsbereinigt weniger wert war als beim Erbfall.

Ist das der Fall, kommt es auf die Differenz zwischen dem Grundstückswert und dem Wert der vorbehaltenen Rechte im Zeitpunkt der Umschreibung im Grundbuch an, mag dieser Stichtag auch mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall liegen (so BGH, Urteil vom 27.04.1994, Az.: IV ZR 132/93).

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