Grundwissen zum Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Der Erbe muss nur die Fragen beantworten, die ihm gestellt wurden
  • Neben dem tatsächlichen Nachlass ist auch der fiktive Nachlass wichtig
  • Stockt der Informationsfluss, hilft ein Notar oder das Gericht

Der Streit um den Pflichtteil beginnt in aller Regel unmittelbar nach der Testamentseröffnung.

Hat der Erblasser nämlich in seinem Testament oder durch Erbvertrag ein nahes Familienmitglied von der Erbfolge ausgeschlossen, dann steht dem so Enterbten ein Pflichtteilsanspruch in Höhe des Wertes der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils zu.

Kinder, Ehegatten, unter Umständen auch die Eltern und die Enkel des Erblassers werden demnach zumindest finanziell auch für den Fall am Vermögen des Erblassers beteiligt, wenn der Erblasser in seinem letzten Willen angeordnet hat, dass der Betroffene nichts bekommen soll.

Von dem Umstand der Enterbung erfährt der Pflichtteilsberechtigte regelmäßig durch Post vom Nachlassgericht. Dem Betroffenen wird nämlich im Rahmen der Testamentseröffnung eine Kopie des letzten Willens des Erblassers übermittelt, dem der Umstand seiner Enterbung zu entnehmen ist.

Nachricht vom Nachlassgericht

Oft wird dem Betroffenen vom Nachlassgericht auch gleichzeitig mitgeteilt, dass ihm Pflichtteilsansprüche zustehen. Damit hat das Nachlassgericht seine Informationspflichten aber auch erfüllt. Weitere Unterstützung kann sich der Pflichtteilsberechtigte vom Nachlassgericht nicht erwarten.

Sobald der erste Schock ob der vom Erblasser angeordneten Enterbung verdaut ist, muss sich der Pflichtteilsberechtigte daran machen, seinen Anspruch beim Erben zu realisieren. Die Geltendmachung und Durchsetzung des Pflichtteilanspruchs kann sich im Einzelfall zu einer Angelegenheit auswachsen, die den Pflichtteilsberechtigten für die nächsten Monate und sogar Jahre beschäftigt.

An den Anfang der Realisierung eines jeden Pflichtteilanspruchs steht ein Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen.

Der Pflichtteilsberechtigte muss vom Erben erfragen, woraus der Nachlass besteht, um seinen Pflichtteilsanspruch beziffern zu können.

Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten ist trickreich

Dabei kann der Pflichtteilsberechtigte bei der Geltendmachung seines Auskunftsanspruchs vieles richtig und noch mehr falsch machen.

Der Erbe muss nämlich nur Auskunft auf die Fragen geben, die ihm vom Pflichtteilsberechtigten auch gestellt wurden. Beschränkt sich der Pflichtteilsberechtigte mithin auf die lapidare an den Erben gerichtete Frage „Woraus besteht der Nachlass?“, so kann ihm der Erbe zentrale und für die Bemessung des Pflichtteils wichtige Informationen vorenthalten.

Neben dem tatsächlich vorhandenen Nachlass sollte der Pflichtteilsberechtigte nämlich in jedem Fall auch nach dem so genannten fiktiven Nachlass fragen, der nach § 2325 BGB gegebenenfalls zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch führt.

Hat der Pflichtteilsberechtigte Geschwister, dann darf auch nie die Frage nach ausgleichspflichtigen Zuwendungen fehlen, die eines der Geschwister gegebenenfalls zu Lebzeiten des Erblassers erhalten hat, § 2316 BGB.

Konkrete Fragen ergeben (manchmal) konkrete Antworten

Es ist immer hilfreich, wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erben nicht ein schnödes Musterschreiben zuschickt, sondern vielmehr nach bestimmten ihm bekannten Vermögenswerten bereits konkrete Fragen stellt.

Weiß der Pflichtteilsberechtigte zum Beispiel, dass dem Erben im Rahmen des Erbfalls auch Leistungen aus einer Lebensversicherung zugeflossen sind, dann sollte hier konkret nachgehakt werden, um zu verhindern, dass der Erbe diese Position im Rahmen der zu erteilenden Auskunft schlicht „vergisst“.

Der Pflichtteilsberechtigte kann weiter lenkend auf die Qualität der Auskunft des Erben Einfluss nehmen, wenn er dem Erben ein Muster eines ordentlichen Nachlassverzeichnisses zur Verfügung stellt und dem Erben auf diesem Weg signalisiert, was er abzuliefern hat.

Ob der Pflichtteilsberechtigte schon im Rahmen seines Auskunftsanspruchs selber auch Auskunft zu lebzeitigen Zuwendungen, die er vom Erblasser erhalten hat, geben soll, ist Geschmacksfrage. Diese Auskünfte muss der Pflichtteilsberechtigte jedenfalls dann geben, wenn er danach gefragt wird.

Führen die vorstehenden Tipps nicht zu gewünschten Erfolg, muss der Pflichtteilsberechtigte größere Geschütze auffahren. Erteilt der Erbe freiwillig keine Auskunft, muss diesem Umstand mit Hilfe einer gerichtlichen Klage abgeholfen werden.

Ist die vom Erben erteilte Auskunft hingegen wenig überzeugend und ersichtlich lückenhaft, sollte der Pflichtteilsberechtigte von seinem Recht Gebrauch machen, vom Erbe die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses anzufordern.

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