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Grundzüge des materiellen US-amerikanischen Erbrechts

Von: Holger Siegwart

Das Erbrecht liegt in den USA in der Regelungskompetenz der einzelnen Bundesstaaten. Es gibt daher kein einheitliches US-amerikanisches Erbrecht, welches überall in den Vereinigten Staaten gleichermaßen Geltung beanspruchen könnte.

Beim Erbfall bzw. der Nachlassabwicklung in den USA muss daher zunächst der Bundesstaat bestimmt werden, dessen Recht zur Anwendung kommt. Gesetzliche Erbfolge, Formvorschriften für Testamente und andere letztwillige Verfügungen, Pflichtteilsrecht, Enterbung, Verjährung und die Regelungen zur Abwicklung des Nachlasses ergeben sich sodann abhängig von den Umständen des Einzelfalles z.B. aus dem kalifornischen Erbrecht, dem texanischen Erbrecht, dem Erbrecht des Staates Wisconsin usw. Diese Unterscheidung ist von großer praktischer Bedeutung, da die erbrechtlichen Vorschriften in den einzelnen US-Bundesstaaten zum Teil erheblich voneinander abweichen und zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können.

Auch in den Vereinigten Staaten wird zwischen gesetzlicher Erbfolge und gewillkürter Erbfolge unterschieden. Die gesetzliche Erbfolge tritt dann ein, wenn ein Erblasser für seinen Nachlass insgesamt oder für einzelne Vermögensgegenstände bzw. Teile des Nachlasses keine wirksame Bestimmung (z.B. durch Testament) getroffen hat. Die gesetzliche Erbfolge begünstigt nach dem Erbrecht der US-Bundesstaaten regelmäßig den überlebenden Ehegatten sowie die Kinder und sodann entferntere Verwandte.

Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge haben allerdings die ausdrücklichen Anordnungen des Erblassers, für welche in den einzelnen US-Bundesstaaten wiederum unterschiedliche Anforderungen gelten können. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass letztwillige Verfügungen in den USA nicht nur in Form von Testamenten getroffen werden. Stattdessen wird zur Regelung des Nachlasses in den USA oftmals ein Treuhandvermögen, ein sog. „Trust“ errichtet. Die Bestimmungen eines Trusts haben in der Regel Vorrang vor testamentarischen Bestimmungen und der gesetzlichen Erbfolge.

Daneben gibt es in allen Bundesstaaten noch eine Reihe weiterer Instrumente, mit welchen Nachlassgegenstände an der gesetzlichen Erbfolge und testamentarischen Bestimmungen vorbei vererbt werden können (z.B. durch sog. „Joint Tenancy“, „payable on death accounts“, etc.). Beim Erbfall in den USA ist daher neben einem Testament und den ergänzenden gesetzlichen Bestimmungen oftmals eine Reihe weiterer Dokumente und Bestimmungen von entscheidender Bedeutung.

Grundsätzlich hat ein Erblasser in den USA bei der Regelung seines Nachlasses eine sehr weitgehende Verfügungsfreiheit. Ein bundesweites Pflichtteilsrecht wie in Deutschland existiert in den USA nicht. Allerdings enthält das Erbrecht aller Bundesstaaten mehr oder weniger stark ausgeprägte Bestimmungen zum Schutz des überlebenden Ehegatten und minderjährige Kinder.

Diese weichen in den einzelnen Bundesstaaten zum Teil erheblich voneinander ab. Dies liegt wiederum daran, dass das eheliche Güterrecht, d.h. die Frage welchem Ehegatten während der Ehe erworbene Vermögensgegenstände gehören, sehr unterschiedlich geregelt ist. Dabei kann eine grobe Einteilung in zwei Gruppen von Staaten vorgenommen werden.

Die erste Gruppe von Bundesstaaten sieht für Eheleute die Gütergemeinschaft vor, d.h. das gesamte nach Eheschließung erworbene Vermögen gehört grundsätzlich beiden Ehegatten zusammen. In diesen Staaten gibt es keine Pflichtteilsansprüche, da dem überlebenden Ehegatten regelmäßig bereits die Hälfte des Vermögens gehört und ein Ehegatte keine letztwilligen Verfügungen über die Hälfte des anderen Ehegatten vornehmen kann.

Die zweite Gruppe von Bundesstaaten kennt keine Gütergemeinschaft, es handelt sich dort regelmäßig um Zugewinngemeinschaften unterschiedlicher Ausgestaltung, in welchen das nach der Eheschließung erworbene Vermögen nicht automatisch beiden Ehegatten gemeinsam gehört. In diesen Staaten haben die überlebenden Ehegatten ein mehr oder weniger stark ausgestaltetes Pflichtteilsrecht. Oftmals ist dies ein Anspruch auf ein Drittel des Nachlasses. Zusätzlich gibt es unterschiedliche Regelungen, welche den Unterhalt und die Ausbildung minderjähriger Kinder sicherstellen sollen.

Zu beachten ist allerdings, dass Kinder ansonsten keine Pflichtteilsrechte haben und enterbt werden können, ohne dass es eines beachtlichen Grundes hierfür bedürfte. Entferntere Verwandte (z.B. Eltern und Geschwister) haben ebenfalls kein Pflichtteilsrecht.

Wie die Abwicklung des Nachlasses in den USA im Einzelfall erfolgt, hängt davon ab, welche Anordnungen der Erblasser getroffen hat. Wenn es keine letztwillige Verfügung oder lediglich ein Testament gibt, wird regelmäßig ein formales Nachlassverfahren (sog. „probate“) erforderlich, welches im Normalfall mit großem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist und nicht mit der Erteilung eines Erbscheins, sondern erst mit der endgültigen Verteilung des Nachlasses endet.

Durch gründliche Nachlassplanung unter Zuhilfenahme eines „Trusts“ kann der Erblasser ein gerichtliches Nachlassverfahren mit den damit verbundenen Nachteilen ggf. vollständig verhindern. Aber auch in diesem Fall werden die Zeitdauer und die Kosten für die Nachlassabwicklung höher sein als beim vergleichbaren Nachlass in Deutschland.

Dieser Beitrag stammt von Rechtsanwalt und Attorney at Law Holger Siegwart, San Francisco

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