Welches Recht ist bei einer Erbschaft in den USA anwendbar?
Bei deutsch-amerikanischen Erbfällen muss zunächst ermittelt werden, ob deutsches Recht oder US-amerikanisches Recht (genauer gesagt das Recht einzelner US-amerikanischer Bundesstaaten) zur Anwendung kommt. Dies ist von großer praktischer Bedeutung, da z.B. die Frage der Wirksamkeit von Testamenten, Erbquoten von Ehegatten und Verwandten, Pflichtteilsrechten usw. von den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlich beantwortet wird.
Nachlass in den USA
Das Erbrecht der US-amerikanischen Bundesstaaten stellt im Gegensatz zum deutschen Recht für die Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers ab. Ob der Erblasser im Zeitpunkt des Todes deutscher Staatsangehöriger war, ist daher für den in den USA belegenen Nachlass grundsätzlich unbeachtlich.
Zunächst ist zu beachten, dass in den USA unterschiedliche Anknüpfungspunkte für bewegliches und unbewegliches Vermögen gelten. Auf unbewegliches Vermögen (insbesondere Grundstücke) ist das Recht desjenigen Bundesstaates anwendbar, in welchem der Nachlassgegenstand belegen ist. Dementsprechend wird z.B. ein Haus in San Francisco nach kalifornischen Erbrecht und eine Eigentumswohnung in Miami nach dem Erbrecht des Staates Florida vererbt.
Für bewegliches Vermögen wird stattdessen an das Domizil des Erblassers im Todeszeitpunkt angeknüpft. Unter Domizil versteht man vereinfacht ausgedrückt den Ort, an dem der Erblasser seinen Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt mit der Absicht hat, stets dorthin zurückzukehren. Das Recht des Staates, in welchem der Erblasser sein letztes Domizil hatte, gilt für den beweglichen Nachlass. Wenn ein Erblasser mit Domizil in Texas Bankkonten in New York hinterlässt, gilt hierfür das Erbrecht des Staates Texas.
Dies kann zur Folge haben, dass eine Spaltung des Nachlasses erfolgt und dessen Verteilung nach den Vorschriften unterschiedlicher Rechtsordnungen vorgenommen werden muss. So kann auf bewegliches Vermögen in den USA deutsches Erbrecht zur Anwendung kommen, wenn der Erblasser sein letztes Domizil in Deutschland hatte (egal ob er deutscher Staatsangehöriger war oder nicht!), während auf unbewegliches Vermögen in den USA stets das Recht des Bundesstaates zur Anwendung kommt, in welchem es sich befindet.
Bsp 1: Horst Müller ist in jungen Jahren in die USA ausgewandert und hat es dort zu Vermögen gebracht. Er hat sich entschieden, seinen Lebensabend wieder in Deutschland zu verbringen. Sein Haus in Dallas und seine Ferienwohnung in Honolulu hat er vermietet. Die Konten bei seiner ehemaligen Hausbank in Dallas hat er nie geschlossen. Er hatte die Absicht, bis zu seinem Tod bei seinen Angehörigen in Hamburg zu leben, wo er ohne letztwillige Verfügung verstorben ist.
Für das Haus in Dallas wird texanischen Erbrecht gelten, wohingegen die dortigen Bankkonten nach deutschem Erbrecht weitergegeben werden. Für die Ferienwohnung in Honolulu gilt das Erbrecht des Staates Hawaii.
Nachlass in Deutschland
Im Gegensatz hierzu geht das deutsche Recht von der Einheit des Nachlasses aus und knüpft an die Staatsangehörigkeit des Erblassers im Todeszeitpunkt an. Dies bedeutet, dass der gesamte Nachlass, egal ob beweglich oder unbeweglich, nach dem Erbrecht des Staates beurteilt wird, dem der Verstorbene zuletzt angehörte. Beim Tod eines deutschen Staatsangehörigen ist dies stets deutsches Recht.
Interessanter wird es, wenn ein US-amerikanischer Staatsangehöriger in Deutschland Vermögen hinterlässt. Nach dem soeben beschriebenen Grundsatz wird hierfür zunächst auf das US-amerikanische Recht (genauer gesagt auf das Recht des betreffenden US-Bundesstaates verwiesen).
Nach dem oben Gesagten knüpft das amerikanische Recht für unbewegliches Vermögen stets an das jeweilige Ortsrecht und für bewegliches Vermögen an das letzte Domizil des Erblassers an. Daraus folgt, dass für deutsche Grundstücke eines amerikanischen Erblassers stets deutsches Erbrecht gilt (im Wege der sog. Rückverweisung). Für bewegliches Vermögen (z.B. Bankkonten) kommt es darauf an, wo der amerikanische Erblasser sein letztes Domizil hatte. Wenn er zuletzt in Deutschland wohnte, gilt auch für das bewegliche Vermögen eines Amerikaners in Deutschland deutsches Recht.
Bsp 2: Horst Müller hat auch noch eine Eigentumswohnung und ein Girokonto in Hamburg. Für beides gilt deutsches Erbrecht unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit im Todeszeitpunkt: Wenn er deutscher Staatsangehöriger war, gilt ohnehin für den gesamten Nachlass deutsches Recht. Wenn er nur US-Amerikaner und kein deutscher Staatsangehöriger mehr war, gelten die amerikanischen Anknüpfungskriterien. Da die Eigentumswohnung in Deutschland belegen ist, gilt hierfür auch nach amerikanischen Kriterien deutsches Recht. Für das deutsche Bankkonto gilt ebenfalls deutsches Recht, da nach amerikanischen Kriterien das Domizil des Erblassers entscheidend ist, welches in Deutschland lag.
Doppelte Staatsangehörigkeit
Aufgrund der Lockerungen im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht und der damit verbundenen Erleichterungen für deutsche Staatsangehörige in den USA, die amerikanische Staatsangehörigkeit unter Beibehaltung der US-amerikanischen Staatsangehörigkeit hinzu zu erwerben, wird es in Zukunft häufiger zu Fallgestaltungen kommen, in welchen ein Erblasser im Todeszeitpunkt sowohl deutsche die als auch die amerikanische Staatsangehörigkeit hat.
Im Normalfall sollten sich hierdurch jedoch im Ergebnis keine Abweichungen von den vorstehenden Grundsätzen ergeben. Dies folgt einerseits daraus, dass die amerikanische Perspektive ohnehin nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft (s.o.). Andererseits gilt in Deutschland der Grundsatz, dass bei mehreren Staatsangehörigkeiten eines Erblassers allein die deutsche maßgeblich ist.
Bsp 3: Horst Müller hatte im Todeszeitpunkt sowohl die deutsche als auch die amerikanische Staatsangehörigkeit. Die Ergebnisse in Beispiel eins und Beispiel zwei bleiben trotzdem gleich. Für die Nachlassgegenstände in den USA in Beispiel eins ist es nach amerikanischem Erbrecht unbeachtlich, ob Horst Müller deutscher, Amerikaner oder beides war. Da Horst Müller (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, ist diese allein maßgeblich. Die Tatsache, dass er zugleich US-Amerikaner ist damit für den Nachlass in Deutschland unbeachtlich.
Dieser Beitrag stammt von Rechtsanwalt und Attorney at Law Holger Siegwart, San Francisco
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