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Niederlage im Erbscheinverfahren – Gericht bezweifelt die Testierfähigkeit eines Erblassers – Das Kostenrisiko einer Beschwerde

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Für die Beurteilung der Testierfähigkeit eines Erblassers braucht man oft ein Gutachten
  • Jede Partei kann auch eigene Privatgutachter beschäftigen
  • Kostenrisiko im Beschwerdeverfahren steigt deutlich

Durch ein Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins wird zuweilen über ein Millionenvermögen entschieden.

Derjenige, der den Erbschein erhält, wird als Erbe und Rechtsnachfolger des Erblassers angesehen und kann über das komplette Vermögen des Erblassers verfügen.

Immer dann, wenn der Erblasser ein Testament hinterlassen hat und dieses Testament im Erbscheinverfahren mit dem Argument angegriffen wird, dass der Erblasser testierunfähig gewesen sei, schlagen die Wellen bereits im Verfahren vor dem Nachlassgericht erfahrungsgemäß hoch.

Widersprechender Sachvortrag der Parteien

Derjenige, der im Testament begünstigt wurde, trägt dann regelmäßig vor, dass der Erblasser bis zum Schluß fit, vital und voll im Besitz seiner geistigen Kräfte gewesen sei.

Diejenigen, die im Testament zu kurz gekommen oder gar nicht erwähnt worden sind, schildern meist ebenso schillernd, dass der Erblasser absolut nicht mehr in der Lage gewesen sei, den Sinn seines Handelns auch nur einigermaßen zu verstehen.

Dem Richter am Nachlassgericht bleibt in solchen Fällen oft nichts anderes übrig, als einen psychiatrischen Sachverständigen mit der Beantwortung der Frage zu beauftragen, ob der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung seines letzten Willens noch testierfähig im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB war.

Sachverständige arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten

Der so beauftragte Sachverständige kann die Frage der Testierfähigkeit nie mit mathematischer Genauigkeit mit „ja“ oder „nein“ beantworten.

Regelmäßig ist Gutachten zur Testierfähigkeit eines Erblassers lediglich zu entnehmen, dass ein Erblasser „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ entweder testier- oder eben testierunfähig gewesen ist.

Die Schwierigkeit solcher gutachterlichen Ermittlungen im Erbscheinverfahren liegt vor allem in dem Umstand, dass der Sachverständige Aussagen über den in der Vergangenheit liegenden Zustand einer ihm vollkommen unbekannten Person treffen muss.

Sachverständiger bestimmt häufig den Ausgang des Verfahrens

In aller Regel wird jedoch der Ausgang des Verfahrens vor dem Nachlassgericht von dem Sachverständigengutachten bestimmt.

Bestätigt der Gutachter die Testierfähigkeit, dann wird das Nachlassgericht regelmäßig das fragliche Testament als wirksam betrachten und einen entsprechenden Erbschein erteilen.

Beurteilt der Gutachter den Erblasser hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit als testierunfähig, dann wird das Gericht eben von der Unwirksamkeit des Testaments ausgehen.

Oft geht es nach vorliegen eines Gutachtens relativ schnell. Zwar dürfen die Beteiligten in dem Verfahren vor dem Nachlassgericht noch zu den Feststellungen des Gutachtens Stellung nehmen.

Gericht schließt sich fast immer dem Gutachten an

Wenn dann aber keine wesentlich neuen Aspekte vorgebracht werden, gewinnt eben diejenige Partei das Verfahren, deren Einschätzung der Testierfähigkeit des Erblassers im Einklang mit der Bewertung des Sachverständigen lag.

Diejenige Partei, die im Erbscheinverfahren unterliegt, trägt sich oft mit dem Gedanken, gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts das Rechtsmittel der Beschwerde einzulegen und die Angelegenheit damit in die Hände der nächst höheren Instanz, des Oberlandesgerichts, zu legen.

So ein Schritt kann, muss aber nicht unbedingt vernünftig sein.

Vor allem diejenigen Erprätendenten, die sich entschließen, im Beschwerdeverfahren mit einem eigenen Sachverständigengutachten zur Frage der Testierfähigkeit gegen das Gerichtsgutachten angehen zu wollen, müssen sich über die Kostenrisiken im Beschwerdeverfahren im Klaren sein.

Braucht das OLG ein weiteres Gutachten?

Zu den Kosten für ein privates Gutachten in Höhe eines mittleren bis hohen vierstelligen Eurobetrages addieren sich nämlich auch noch Gerichts- und gegebenenfalls Anwaltskosten, die nach § 84 FamFG der unterlegenen Partei im Beschwerdeverfahren vor dem OLG auferlegt werden können.

Weiter muss man einkalkulieren, dass das OLG im Zweifel ein – wiederum Kosten auslösendes – Obergutachten in Auftrag geben wird, falls es die Einwendungen aus dem Privatgutachten des Beschwerdeführers nicht selber bewerten kann.

In Anbetracht der Tatsache, dass sich Gerichts- und Anwaltskosten im Beschwerdeverfahren aus dem kompletten Nachlasswert errechnen, sollte man die Frage der Sinnhaftigkeit einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts daher sorgfältig überprüfen.

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