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Es kann Jahre dauern, bis man vom Nachlassgericht einen Erbschein erhält!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Nachlassgerichte entscheiden über einen Erbscheinsantrag nicht immer in angemessener Zeit
  • Die telefonische Erreichbarkeit einzelner Nachlassgerichte ist verbesserungsfähig
  • Die Untätigkeit eines Richters alleine begründet noch keinen Befangenheitsantrag

Ist ein Erbfall eingetreten, dann benötigen die Erben oft einen Erbschein.

Ein Erbschein ist ein vom zuständigen Nachlassgericht ausgestelltes Zeugnis, mit dessen Hilfe der Erbe sein Erbrecht im Geschäftsverkehr nachweisen kann.

In aller Regel kann der Erbe erst mithilfe eines Erbscheins auf Bankkonten des Erblassers zugreifen oder für Nachlassimmobilien das Grundbuch ändern lassen.

Der Erbe benötigt manchmal dringend einen Erbschein

In jedem Fall ist ein Erbschein ein für den betroffenen Erben essentielles Dokument.

Hat man beim Nachlassgericht einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, dann geht es im Normalfall schnell.

Liegen alle für die Erteilung des Erbscheins notwendigen Unterlagen und Urkunden vor, dann erlässt das Nachlassgericht in der Regel binnen Wochen einen entsprechenden Beschluss und übermittelt dem Erben den beantragten Erbschein.

Bedauerlicherweise gibt es aber in der Praxis auch immer wieder die Fälle, bei denen Erben auch noch nach Jahren auf ihren Erbschein warten.

Gründe für die Verzögerung beim Nachlassgericht

Gründe für Verzögerungen im Verfahren kann es viele geben.

So ist es nachvollziehbar, dass ein streitiges Erbscheinverfahren, bei dem sowohl die Urheberschaft für ein Testament als auch die Testierfähigkeit des Erblassers von Beteiligten in Frage gestellt werden, alleine wegen der notwendigen Einschaltung von Sachverständigen etwas länger dauert.

In der Praxis führt aber auch immer wieder das Verhalten der zur Entscheidung berufenen Person am Amtsgericht zu unerwünschtem Zeitverzug.

So schieben Nachlassrichter die Entscheidung vor allem von „unbequemen“ Fällen manchmal bewusst vor sich her.

Versetzung, Pensionierung oder sonstige Gründe

Ob eine solche gerichtliche Verzögerungstaktik im Einzelfall durch eine anstehende Versetzung des zuständigen Richters, durch eine baldige Pensionierung, schlicht wegen Arbeitsüberlastung oder aus sonstigen Gründen verursacht wird, ist für den Außenstehenden oft nur schwer zu überblicken.

Deutliche Zeichen für die Unlust eines Richters, sich in zumutbarer Zeit mit der Angelegenheit zu beschäftigen, sind jedenfalls mehrfach unbeantwortet gebliebene  Sachstandsanfragen, wann denn mit einem Fortgang der Angelegenheit zu rechnen ist.

Erschwerend kommt hinzu, dass auch anwaltlich vertretene Antragsteller bei manchen Nachlassgerichten telefonisch kaum mehr jemanden erreichen, der Auskunft über den Verfahrensstand geben könnte.

Hotline-Nummern des Nachlassgerichts sind kaum erreichbar

So gehen manche Nachlassgerichte in der Zwischenzeit dazu über, ihren Kunden für die telefonische Kontaktaufnahme „Hotline-Nummern“ anzubieten.

Ruft man diese „Hotline-Nummern“ aber an, landet man regelmäßig in einer mindestens 20-minütigen Warteschleife.

Wird das Telefonat am Ende dann von der „Hotline“ doch noch entgegengenommen, stellt man fest, dass man keine Chance hat, zu der für die Sache zuständigen Geschäftsstelle vorzudringen, um sich dort nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.

Die „Hotline“ kann einem nach einem Blick in den Computer lediglich mitteilen, wann das Gericht in der Angelegenheit das letzte Schreiben versendet hat.

In der Sache hilft eine solche Auskunft regelmäßig nicht weiter.

Antragsteller lehnt Richterin wegen Befangenheit ab

Eine solche Odyssee hatte offensichtlich auch ein Betroffener in einem vom Brandenburgischen OLG (Beschluss vom 21.09.2020, Az. 1 W 25/20) entschiedenen Fall hinter sich.

Dort hatte ein Betroffener am 05.06.2018 beim Nachlassgericht einen Erbschein beantragt.

In der Folge bat der anwaltlich vertretene Antragsteller am 27.11.2018, am 26.02.2019, am 13.05.2019 und am 02.01.2020 um zeitnahe Verbescheidung seines Antrages.

Eine Reaktion des Gerichts erfolgte nicht.

Zwei Jahre nach Antragstellung platzte dem Betroffenen dann der Kragen und er übermittelte der zuständigen Richterin am 09.06.2020 einen Antrag, mit dem die Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde.

OLG hält die Richterin nicht für befangen

Das Amtsgericht wies diesen Befangenheitsantrag ab und legte die Angelegenheit dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.

Das OLG lehnte den Befangenheitsantrag aber ebenfalls als unbegründet ab.

In seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass die über einen längeren Zeitraum hinweg andauernde schlichte Untätigkeit eines Richters in der Regel die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen würde.

Hat der Richter eine „rechtsfeindliche Gesinnung“?

Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn

„die verfahrensleitenden Handlungen oder Unterlassungen des mit der Sache befassten Richters unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv als schlechthin unvertretbar erscheinen und subjektiv aus der Sicht des Ablehnenden deshalb den Anschein einer auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung erwecken können, weil sein besonderes Bedürfnis an einer zeitnahen Entscheidung wiederholt zum Ausdruck gebracht worden oder offensichtlich ist.“

Und weiter:

„Eine Partei, die den nachvollziehbaren Anschein gewinnen kann, der Richter nehme ihr Anliegen zwar zur Kenntnis, veranlasse aber nichts, hat Grund zur Ablehnung des Richters, wenn die von ihm mitgeteilten Gründe für die vollkommene Untätigkeit ganz und gar unhaltbar sind oder wenn er nicht einmal Gründe nennt und daraus auf eine geradezu rechtsfeindliche oder wenigstens rechtsschutzfeindliche Gesinnung des Richters gegenüber einer Partei geschlossen werden kann.“

Diese Voraussetzungen sah das OLG im zu entscheidenden Fall nicht als gegeben an.

Untätigkeit der Richterin begründet keine Befangenheit

Es konstatierte zwar „eine deutliche Verzögerung in der Verfahrensbearbeitung“, die für den Betroffenen auch nicht mehr hinnehmbar sei.

Zweifel an der Unparteilichkeit der Richterin seien aber, so das OLG, deswegen noch nicht gerechtfertigt.

Dem Antragsteller blieb nach dieser Entscheidung nichts anderes übrig, als weiter zuzuwarten.

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