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Eltern lassen ihr erwachsenes Kind kostenlos wohnen – Muss dieser Vorteil im Erbfall im Verhältnis zu anderen Kindern ausgeglichen werden?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Führt das kostenlose Wohnen eines Kindes in einer Immobilie des Erblassers im Erbfall zu einem Ausgleichungsanspruch?
  • Gerichte und Kommentarliteratur beurteilen die Frage unterschiedlich
  • Rechtsunsicherheit bis zu einer Entscheidung durch den BGH

Das Gesetz versucht im Erbfall für eine gerechte Verteilung der Erbschaft zu sorgen.

Diese gesetzlichen Bemühungen wirken sich vor allem dann aus, wenn ein Erblasser mehrere Kinder hat und der Erblasser einem dieser Kinder bereits zu Lebzeiten geldwerte Vorteile hat zukommen lassen.

Immer wieder sind in diesem Zusammenhang von den Gerichten Streitfälle zu entscheiden, bei denen der Erblasser einem seiner Kinder eine Immobilie zu Wohnzwecken überlassen hat, ohne hierfür eine Gegenleistung beispielsweise in Form einer Mietzahlung zu verlangen.

Nach dem Erbfall gibt es Streit um eine Ausgleichung

Verstirbt der Erblasser, entbrennt unter den beteiligten Kindern als Erben oft ein Streit, ob sich dasjenige Kind, das die Immobilie des Erblassers zuweilen über Jahre hinweg kostenfrei genutzt hat, diesen Nutzungsvorteil auszugleichen hat und im Rahmen der Erbauseinandersetzung weniger erhält.

Gesetzlicher Aufhänger für solche Diskussionen ist im Fall der gesetzlichen Erbfolge der § 2050 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und soweit Pflichtteilsansprüche im Raum stehen der § 2316 BGB iVm § 2050 BGB. 

Nach § 2050 BGB müssen unter bestimmten Umständen Zuwendungen des Erblassers an einen seiner Abkömmlinge im Erbfall im Verhältnis zu weiteren Abkömmlingen ausgeglichen werden.

Im Erbfall werden lebzeitige Zuwendungen ausgeglichen

Vereinfacht gesagt gilt folgendes: Derjenige Abkömmling, der bereits zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten hat, bekommt im Erbfall weniger.

Ob die kostenlose Gebrauchsüberlassung von Wohnraum durch den Erblasser an einen seiner Abkömmlinge nun eine ausgleichungspflichtige Zuwendung im Sinne von § 2050 BGB darstellt, wird von den Gerichten unterschiedlich bewertet.

So urteilt z.B. das LG Kaiserslautern (Urteil vom 21.01.2021, 3 O 795/17) mit Hinweis auf die wohl überwiegende Kommentarliteratur wie folgt:

„Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung von Wohnraum um keine Zuwendung im Sinne von § 2050 BGB.“

Das LG Kaiserslautern lehnt eine Ausgleichung demnach ab.

Das OLG Düsseldorf entscheidet mit der „überwiegenden Auffassung“

Gänzlich anders beurteilt dies z.B. das OLG Düsseldorf (Urteil vom 06.04.2018 - 7 U 34/17), das in dieser Frage zu folgendem Ergebnis kommt:

„Nach überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, kann eine Ausstattung nach § 2050 Abs. 1 BGB auch in der Einräumung von Nutzungsrechten, insbesondere an einem Grundstück gesehen werden, etwa in der Form des Gewährens freien Wohnens.“

Betroffene Erben können in Anbetracht dieser voneinander abweichenden Rechtsprechung mithin sowohl für die eine als auch für die andere Auffassung Argumente und Gerichtsentscheidungen finden.

Rechtssicherheit wird in dieser Frage wohl erst dann geschaffen werden, wenn der Bundesgerichtshof eine abschließende Entscheidung trifft.

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