Erblasser hatte einem Erben ein Darlehen gewährt – Wie kommen die anderen Erben an das Geld?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Erblasser gewährt einem Erben zu Lebzeiten ein Darlehen
  • Wird die Rückzahlung des Darlehens nach dem Erbfall verweigert, wird es kompliziert
  • Die anderen Erben müssen mehrere Klageverfahren anstrengen

Hat ein Erblasser mehr als nur einen Erben hinterlassen, dann ist die Auseinandersetzung der Erbschaft unter den Erben manchmal etwas mühsam.

Beteiligte Erben müssen nämlich immer bedenken, dass sie sich – ob sie wollen oder nicht – in einer Erbengemeinschaft befinden.

Träger der Erbschaft ist diese Erbengemeinschaft. Innerhalb der Erbengemeinschaft können wichtige Entscheidungen oft nur mit Stimmenmehrheit oder sogar nur einvernehmlich getroffen werden.

Eine Erbengemeinschaft ist oft schwerfällig

Vor einer Teilung des Nachlasses sind einzelnen Erben weitestgehend die Hände gebunden.

Diese mit dem deutschen Erbrecht verbundenen Restriktionen können beispielsweise dazu führen, dass die Rückführung eines vom Erblasser an einen Erben gewährten Darlehen für die übrigen Erben zu einer echten Belastungsprobe wird.

Folgendes Beispiel soll die Problematik illustrieren:

Ein Vater leiht seinem Sohn zu Lebzeiten einen Betrag in Höhe von 200.000 Euro.
Der Vater hinterlässt kein Testament und wird von seinem Sohn und seiner Tochter je zu ½ beerbt.
Die Tochter findet nach dem Tod des Vaters den Darlehensvertrag und beansprucht den hälftigen Betrag in Höhe von 100.000 Euro für sich.

Moralisch befindet sich die Tochter natürlich im Recht. Die Erbengemeinschaft Tochter/Sohn ist kraft Rechtsnachfolge in die Stellung des verstorbenen Vaters als des ehemaligen Darlehensgebers eingerückt.

Geltendmachung eines Rückzahlungsanspruchs kann Zeit und Geld kosten

Rechtlich kann es für die Tochter allerdings ein langwieriges Unterfangen werden, ihre offensichtlich begründete Forderung durchzusetzen.

Es kann natürlich sein, dass in dem Beispielsfall der Sohn den Anspruch seiner Schwester problemlos anerkennt und seiner Schwester einen Betrag in Höhe von 100.000 Euro zur Verfügung stellt.

Genauso kann es aber passieren, dass der Sohn den Anspruch seiner Schwester bestreitet.

Gerichtliche Hilfe muss in Anspruch genommen werden

Dann muss die Schwester gegen ihren Bruder aktiv werden und gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um zu ihrem Recht und an ihr Geld zu kommen.

Dabei kann die Schwester ihren Bruder nicht simpel auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 100.000 Euro verklagen.

Die Rechtslage ist ungleich komplizierter.

Ein Darlehen muss oft gekündigt werden

Zunächst muss nämlich das Darlehen in aller Regel durch Kündigung zur Rückzahlung fällig gestellt werden.

Eine solche Kündigung muss aber grundsätzlich einvernehmlich von beiden Erben erklärt werden. Weigert sich der Bruder aber, zu einer Darlehenskündigung seine Zustimmung zu erteilen, dann ist der Bruder von seiner Schwester zunächst auf Zustimmung zur Kündigung des Darlehens zu verklagen.

Eine Darlehenskündigung muss grundsätzlich einvernehmlich von allen Erben erklärt werden. Ausnahmsweise lässt die Rechtsprechung im Einzelfall auch eine Kündigung mit Mehrheit der Stimmen der Erben zu (BGH, Urteil vom 11.11.2009, XII ZR 210/05).

Zahlungsverweigerung nach Kündigung des Darlehens

Ist die Hürde der Darlehenskündigung genommen und ist der Bruder und Darlehensnehmer immer noch nicht zur Zahlung bereit, dann ist er vor Gericht klageweise auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.

Dabei kann die Schwester aber nicht Zahlung an sich selber, sondern nur Zahlung an alle in Erbengemeinschaft gebundenen Erben verlangen.

Ist diese Klage erfolgreich und das Geld vom Bruder an die Erbengemeinschaft bezahlt, muss die Schwester dann in einem dritten und letzten Schritt gegebenenfalls auch noch eine Klage auf Erbauseinandersetzung gegen ihren Bruder erheben.

Am Ende ist noch eine Erbteilungsklage erforderlich

Eine solche Erbteilungsklage ist immer dann erforderlich, wenn sich die beteiligten Erben nicht einvernehmlich über die Verteilung des Erbes einigen können.

Im Ergebnis erfordert ein an sich übersichtlicher Sachverhalt im Zusammenhang mit einem Darlehen also insgesamt drei unabhängige Klageverfahren, bevor eine Klärung erreicht werden kann.

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