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Kann eine Erbengemeinschaft die Kündigung eines Vertrages mit Stimmenmehrheit beschließen?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Grundsätzlich müssen mehrere Erben wichtige Entscheidungen gemeinschaftlich treffen
  • Wann reicht die Stimmenmehrheit der Erben für eine Entscheidung?
  • Gerichte verschaffen den Erben etwas Handlungsspielraum

Hat der Erblasser mehr als nur einen Erben hinterlassen, dann bilden die mehreren Erben zwangsläufig eine so genannte Erbengemeinschaft.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Erblasser in einem Testament oder Erbvertrag mehrere Erben benannt hat oder ob die gesetzliche Erbfolge in Ermangelung eines letzten Willens zur Bildung einer aus mehreren Erben bestehenden Erbengemeinschaft führt.

Eine aus mehreren Erben gebildete Erbengemeinschaft ist im Hinblick auf ihre Handlungsfähigkeit eher unflexibel. Das Gesetz definiert in den §§ 2038, 2039 und 2040 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) den rechtlichen Rahmen, in dem sich eine Erbengemeinschaft bewegen kann.

Danach gilt im Grundsatz folgendes:

  • So genannte außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen können von den Mitgliedern der Erbengemeinschaft wirksam nur einstimmig beschlossen werden, § 2038 Abs. 1 BGB.
  • So genannte Angelegenheiten der laufenden Verwaltung können mit Stimmenmehrheit beschlossen werden, § 2038 Abs. 2 BGB.
  • Verfügungen über einen zum Nachlass gehörenden Gegenstand können nur einstimmig beschlossen werden, § 2040 Abs. 1 BGB.

Diese für die Erbengemeinschaft geltenden Regeln erweisen sich insbesondere im Hinblick auf die Kündigung von Vertragsverhältnissen, die zum Nachlass gehören, in der Praxis oft als wenig praktikabel.

Gleich, ob es sich bei dem zu kündigenden Vertragsverhältnis z.B. um einen Mietvertrag oder einen Darlehensvertrag handelt, sind die in der Erbengemeinschaft gebundenen Erben nach § 2040 Abs. 1 BGB grundsätzlich darauf angewiesen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und einen einstimmigen Beschluss herbeizuführen.

Jede Kündigung eines Vertrages stellt dem Grunde nach eine Verfügung im Sinne von § 2040 Abs. 1 BGB dar und löst damit das Einstimmigkeitserfordernis aus.

Einstimmigkeit ist eher die Ausnahme als die Regel

Das in der Realität bestehende Problem ist aber, dass eine aus mehreren Erben zusammen gewürfelte Erbengemeinschaft beileibe nicht immer einer Meinung ist, wenn es um das Schicksal eines Nachlassgegenstandes geht.

Oft sind die wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder der Erbengemeinschaft zu verschieden, um zu einer übereinstimmenden Meinung zu kommen. Oft scheitert ein einstimmiger Beschluss aber schlicht auch an atmosphärischen Störungen innerhalb der Erbengemeinschaft und der grundsätzlichen Protesthaltung eines Mitgliedes der Gemeinschaft.

Die Einstimmigkeit scheitert aber auch häufig schlicht daran, dass sich ein Mitglied der Erbengemeinschaft für den Nachlass und alle damit zusammenhängenden Fragen nicht interessiert und trotz Aufforderung durch die anderen Erben einfach inaktiv bleibt.

In all diesen Fällen wäre eine Erbengemeinschaft dazu verdammt, wirtschaftlich durchaus vernünftige Maßnahmen unerledigt liegen zu lassen oder den etwas steinigen Weg einer isolierten Klage gegen den sich verweigernden Miterben auf Zustimmung zu beschreiten.

BGH-Urteil verschafft Luft

Diese Probleme, die für eine Erbengemeinschaft insbesondere aus dem Verhältnis der Vorschriften in den §§ 2040 und 2038 BGB resultieren, haben das oberste deutsche Zivilgericht dazu veranlasst, die gesetzlichen Vorschriften im Sinne einer besseren Praktikabilität zu interpretieren.

Insbesondere bei der Kündigung eines Vertragsverhältnisses durch eine Erbengemeinschaft ist der BGH bereits wiederholt zu der Einschätzung gekommen, dass die Erben hier nicht zwangsläufig einstimmig entscheiden müssten, um wirksam handeln zu können.

So hat der BGH in einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 2009 geklärt, dass „mehrheitlich beschlossene Maßnahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung auch Verfügungsgeschäfte umfassen“ (BGH, Urteil vom 11.11.2009, XII ZR 210/05). In diesem für den Fall der Kündigung eines Mietverhältnisses entschiedenen Fall ist der BGH also ausdrücklich von dem Einstimmigkeitserfordernis für eine Verfügung nach § 2040 BGB abgerückt.

Soweit man sich mit der Kündigung eines Vertragsverhältnisses, das zum Nachlassvermögen gehört, also im Rahmen der „ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung“ bewegt, kann ein Beschluss durch die Erbengemeinschaft grundsätzlich auch mit Stimmenmehrheit gefasst werden.

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