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Erbschaft, Vermächtnis und Pflichtteil – Wo liegt der Unterschied?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Ein Erbe wird Rechtsnachfolger des Erblassers
  • Ein Vermächtnis verschafft dem Vermächtnisnehmer eine Forderung - zumeist gegen den Erben
  • Der Pflichtteil kann gefordert werden, wenn ein naher Familienangehöriger vom Erblasser enterbt wird

Ist ein Mensch verstorben, dann werden die Hinterbliebenen mit den verschiedensten rechtlichen Begriffen konfrontiert.

Die Mitglieder der einen Gruppe werden Erben des Erblassers, die anderen erhalten im Zusammenhang mit dem Erbfall möglicherweise ein Vermächtnis.

Wieder andere erfahren im Rahmen der Testamentseröffnung das erste Mal, dass sie zwar nicht Erbe geworden sind, dafür aber ihren Pflichtteil geltend machen können.

Welche rechtliche Stellung hat man im Erbfall?

Die Begriffe Erbschaft, Vermächtnis und Pflichtteil haben im weitesten Sinne etwas mit einem Erbfall zu tun.

Die rechtlichen Voraussetzungen und Folgen von Erbschaft, Vermächtnis und Pflichtteil unterscheiden sich jedoch gravierend.

Für den Betroffenen ist es zur Vermeidung von Rechtsnachteilen wichtig, im Zusammenhang mit einem Erbfall zwischen diesen drei Rechtsinstituten sauber zu unterscheiden.

Erbe, Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigter sind an einem Nachlass vollkommen unterschiedlich beteiligt und haben ebenso vollkommen verschiedene Rechte und Pflichten.

Erbschaft – Der Erbe wird Rechtsnachfolger des Erblassers

Wenn man Erbe einer verstorbenen Person geworden ist, dann hat man in erbrechtlicher Hinsicht eine enorm starke, aber gleichzeitig auch eine verantwortungsvolle Position.

Nach § 1922 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geht nämlich mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den Erben über.

Was bis vor dem Tod also dem Erblasser gehörte, steht in der Sekunde nach dem Tod dem Erben als neuen Eigentümer zu.

Erbe wird man von ganz alleine

Für diesen Rechtsübergang vom Erblasser auf den Erben bedarf es auch keines besonderen staatlichen Ernennungsaktes oder einer gerichtlichen Bestätigung.

Der Erbe tritt die Rechtsnachfolge nach dem Erblasser vielmehr automatisch und von Gesetzes wegen an.

Für diesen automatischen Rechtsübergang kommt es auch nicht auf die Frage an, ob der Erbe vom Erblasser in einem Testament als Vermögensnachfolger bestimmt wurde oder ob, in Ermangelung eines letzten Willens, die gesetzliche Erbfolge darüber bestimmt, wer Erbe wird.

Erbe kraft Gesetz oder exisitiert ein Testament?

Wenn kein Testament hinterlassen wurde, bestimmt das Gesetz, wer Erbe wird.

Testamentarischer Erbe und gesetzlicher Erbe haben dabei die gleiche Rechtsposition.

Der Erbe kann im Erbfall aber nicht nur einen plötzlichen Vermögenszuwachs verzeichnen.

Er übernimmt als Rechtsnachfolger des Erblassers nämlich mit dem Erbfall auch allerhand Pflichten.

So muss jeder Erbe im Auge behalten, dass er nicht nur das positive Vermögen des Erblassers erhält, sondern eben auch die vom Erblasser zu Lebzeiten angehäuften Schulden erbt.

Der Erbe haftet grundsätzlich für die Schulden des Erblassers und auch für sämtliche weiteren so genannten Nachlassverbindlichkeiten.

Im Erbfall sind vom Erben mit Mitteln aus dem Nachlass im Bedarfsfall Vermächtnisse zu regulieren und ein eventuell bestehender Pflichtteilsanspruch zu bezahlen.

Wer nicht erben will, muss die Erbschaft ausschlagen

Der Erbe tritt in laufende Verträge des Erblassers ein und muss diese gegebenenfalls abwickeln.

Niemand wird dazu gezwungen, eine Erbschaft anzunehmen und damit die auch haftungsträchtige Rolle des Erben zu übernehmen.

Will man mit der Erbschaft nichts zu tun haben, dann hat man innerhalb einer Frist von in der Regel sechs Wochen nach Kenntnis von Erbfall und Erbeinsetzung die Möglichkeit, die Erbschaft mit Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht auszuschlagen, § 1944 BGB.

Das Vermächtnis verschafft dem Begünstigten ein Forderungsrecht

Die Rechtsstellung eines Vermächtnisnehmers unterscheidet sich von der des Erben deutlich.

Der Vermächtnisnehmer wird nicht Rechtsnachfolger des Erblassers und er muss sich auch nicht um die mit dem Nachlass verbundenen Schulden kümmern.

Ein Vermächtnis muss im Testament oder Erbvertrag vom Erblasser angeordnet worden sein.

Ohne einen letzten Willen des Erblassers gibt es in der Regel kein Vermächtnis geben. Die gesetzliche Erbfolge kennt kein Vermächtnis.

Durch die Testamentseröffnung erfährt man von seinem Vermächtnis

Von einem zu seinen Gunsten ausgesetzten Vermächtnis erfährt der Vermächtnisnehmer in aller Regel im Rahmen der Testamentseröffnung.

Dabei muss ein Vermächtnis nicht zwangsläufig in der Zuwendung eines bestimmten Geldbetrages bestehen.

Vielmehr kann der Erblasser durch ein Vermächtnis dem Vermächtnisnehmer jeden beliebigen „Vermögensvorteil“ zuwenden, § 1939 BGB.

Der Vermächtnisnehmer wird im Gegensatz zum Erben auch nicht automatisch mit dem Erbfall Eigentümer des zu seinen Gunsten ausgesetzten Vermächtnisgegenstandes.

Das Vermächtnis muss man aktiv einfordern

Vielmehr muss sich der Vermächtnisnehmer bei derjenigen Person melden, die vom Erblasser mit dem Vermächtnis belastet wurde. In aller Regel ist das der Erbe.

Der Vermächtnisnehmer muss sein Vermächtnis einfordern. Weigert sich der Erbe, das Vermächtnis zu erfüllen, muss der Vermächtnisnehmer sein Recht mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen.

Ein Vermächtnisnehmer ist aber nicht gezwungen, das Vermächtnis anzunehmen und nach dem Erbfall geltend zu machen.

Man kann sein Vermächtnis auch ausschlagen

Will der Vermächtnisnehmer den Vermächtnisgegenstand nicht haben, dann kann er von der Geltendmachung seines Rechts nach Eintritt des Erbfalls einfach absehen.

Wenn der Vermächtnisnehmer klare Verhältnisse schaffen will, kann er das Vermächtnis auch mit Erklärung gegenüber dem Erben ausdrücklich ausschlagen.

Hat der Vermächtnisnehmer den Vermächtnisgegenstand erhalten, ist der Erbfall für ihn soweit abgeschlossen.

Bis auf die Notwendigkeit, das Vermächtnis gegenüber dem Finanzamt mitzuteilen, bestehen für den Vermächtnisnehmer grundsätzlich keine weiteren Rechte und Pflichten.

Der Pflichtteil – Naher Familienangehöriger wurde vom Erblasser enterbt

Der so genannte Pflichtteil unterscheidet sich wiederum von Erbschaft und Vermächtnis deutlich.

Der Pflichtteil ist ein auf Geld gerichteter Erbersatzanspruch, der immer dann eingreift, wenn der Erblasser in seinem Testament oder Erbvertrag einen seiner Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel), seinen Ehepartner oder seine Eltern von der Erbfolge ausgeschlossen hat.

Der Pflichtteil beläuft sich auch den Wert des hälftigen gesetzlichen Erbteils der enterbten Person, § 2303 BGB.

Ähnlich wie das Vermächtnis muss auch der Pflichtteil nach dem Eintritt des Erbfalls vom Pflichtteilsberechtigten in der Regel beim Erben eingefordert und geltend gemacht werden.

Der Pflichtteilsberechtigte benötigt Informationen über den Nachlass

Dabei muss sich der Pflichtteilsberechtigte in einem ersten Schritt nähere Informationen zum Bestand und zum Wert des Gesamtnachlasses besorgen.

Vom Nachlass ist der Pflichtteilsberechtigte durch seine Enterbung aber vollkommen abgeschnitten.

Selbst wenn er beispielsweise bis zum Erbfall mit dem Erblasser in der gleichen Wohnung gelebt hat, hat nach dem Erbfall keinerlei Rechte mehr an den im Nachlass befindlichen Gegenständen.

Über diese kann alleine der Erbe als der Rechtsnachfolger des Erblassers verfügen.

Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.

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