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Ein Vermächtnis über das Barvermögen des Erblassers – Was bedeutet der Begriff  „Barvermögen“?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Erblasser vermacht in seinem Testament sein „Barvermögen“
  • Hinterbliebene verstehen diesen Begriff des „Barvermögens“ sehr unterschiedlich
  • Entscheidung des Landgerichts wird vom Oberlandesgericht korrigiert

Wenn Erblasser ihre Erbfolge regeln wollen, dann denken sie oft in Vermögensgruppen.

In vielen Testamenten finden sich dementsprechend Regelungen, wonach bestimmte Personen nach dem Tod des Erblassers „das Bargeld“, „den Schmuck“, „die Wertpapiere“, oder „das Bankvermögen“ erhalten sollen.

Solche Formulierungen in einem Testament sind gut gemeint, lösen aber regelmäßig  schneller, als es dem Erblasser lieb sein kann, nach dem Eintritt des Erbfalls Streitfälle unter der Hinterbliebenen aus.

Gericht muss klären, was unter „Barvermögen“ zu verstehen ist

Einen solchen Streit unter den Hinterbliebenen hatte unlängst das OLG Oldenburg zu klären (Urteil vom 20.12.2023, 3U 8/23).

In dem Fall hatte der spätere Erblasser ein notarielles Testament mit folgendem Inhalt verfasst:

„Das bei Eintritt des Erbfalls vorhandene Barvermögen soll zu einem 1/3 Anteil an meine Tochter ausgezahlt werden.“

Kinder streiten vor Gericht über den Begriff „Barvermögen“

Nach dem Tod des Erblassers gerieten die betroffenen Kinder in Streit über die Frage, was der Erblasser in seinem Testament mit dem Begriff des „Barvermögens“ gemeint haben könnte.

Die in dem Testament mit diesem „Barvermögen“ begünstigte Tochter vertrat die Auffassung, dass der Erblasser damit zweifelsfrei seine gesamten liquiden Mittel, insbesondere sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere und Bargeld gemeint habe.

Die Gegenseite war sich hingegen sicher, dass der Erblasser mit dem Begriff „Barvermögen“ ausschließlich das vorhandene Bargeld gemeint haben könne.

Das Gericht vernimmt den Notar als Zeugen

Das Landgericht versuchte in erster Instanz dem tatsächlichen Willen des Erblassers auf die Spur zu kommen und vernahm den Notar, der das Testament beurkundet hatte, als Zeugen.

Der Notar tendierte in seiner Aussage dann auch eher zu einer weiten Auslegung des Begriffs „Barvermögen“.

Dieser Auffassung schloss sich das Landgericht in erster Instanz dann auch an.

Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht drehte sich der Wind aber.

OLG legt den Begriff Barvermögen eng aus

Das OLG entschied nämlich mit folgenden Erwägungen, dass der Erblasser mit dem Begriff „Barvermögen“ in seinem Testament tatsächlich nur sein Bargeld im engeren Sinne gemeint habe:

„Der Begriff des Barvermögens ist zur Überzeugung des Senats in der heutigen Zeit des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs so zu verstehen, dass damit das Bargeld im engeren Sinne … einschließlich der bei Banken befindlichen sofort verfügbaren Gelder zu verstehen ist. Die Verwendung von Bargeld im eigentlichen Sinne ist heute bei Weitem nicht mehr in dem Maße üblich, wie dies früher einmal der Fall war. Durch die vermehrte Kartenzahlung hat sich damit auch die Verkehrsanschauung des Begriffes "bar" verschoben. Der Begriff des Bargeldes umfasst heutzutage das gesamte Geld, das sofort, also auch über eine Kartenzahlung, verfügbar ist.“

Das Gericht urteilte, dass insbesondere Wertpapiere, die ebenfalls in den Nachlass fielen, ausdrücklich nicht zu dem vom Erblasser vermachten „Barvermögen“ zählen würden.

Eine Klarstellung im Testament hätte hier den Beteiligten einen Streit sowie nicht unerhebliche Anwalts- wie Gerichtskosten erspart.

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