Hat der Vermächtnisnehmer einen Auskunftsanspruch gegen den Erben?
- Das Gesetz kennt keinen Auskunftsanspruch zugunsten des Vermächtnisnehmers
- Gerichte billigen bei konkretem Bedürfnis einen Anspruch auf Auskunft zu
- Erblasser sollte die Frage in seinem Testament klären
Ein Vermächtnis ist etwas grundlegend anderes als eine Erbschaft.
Ist man vom Erblasser in dessen Testament bzw. Erbvertrag nur mit einem Vermächtnis bedacht, dann hat man eine Forderung meist gegen den Erben auf Erfüllung dieses Vermächtnisses.
Der Vermächtnisnehmer wird in aller Regel nicht Erbe.
Er ist nicht Rechtsnachfolger des Erblassers.
Der Vermächtnisnehmer muss nach dem Erbfall aktiv werden!
Und er muss nach dem Eintritt des Erbfalls aktiv werden, um sein Vermächtnis zu realisieren.
Oft ist die Durchsetzung des Vermächtnisses kein größeres Problem.
Hat der Erblasser in seinem Testament dem Vermächtnisnehmer zum Beispiel einen bestimmten Geldbetrag zugewandt, dann kann der Vermächtnisnehmer genau diesen bezifferten Betrag vom Erben einfordern.
Hat der Erblasser dem Vermächtnisnehmer eine bestimmte Immobilie vermacht, dann hat der Vermächtnisnehmer gegen den Erben einen Anspruch auf Übereignung dieser Immobilie und entsprechendem grundbuchrechtlichen Vollzug.
Vermächtnisnehmer benötigt unter Umständen Informationen
Es gibt aber auch die Fälle, bei denen der Vermächtnisnehmer nicht ohne weiteres auf den Erben zugehen kann, um sein Recht einzufordern.
Hat der Erblasser in seinem Testament beispielsweise bestimmt, dass der Vermächtnisnehmer 30% des zum Zeitpunkt des Erbfalls noch vorhandenen Bankvermögens bekommen soll, dann hat der Vermächtnisnehmer unmittelbar nach dem Eintritt des Erbfalls keine Ahnung, welchen Wert sein Vermächtnis hat und was er eigentlich fordern kann.
Ähnlich verhält es sich, wenn der Erblasser dem Vermächtnisnehmer beispielsweise „den kompletten Goldschmuck“ zugewandt hat.
Woraus besteht das Vermächtnis?
Auch hier weiß der Vermächtnisnehmer nicht, woraus sein Vermächtnis eigentlich besteht.
In solchen und ähnlichen Fällen stellt sich für den Vermächtnisnehmer nach dem Eintritt des Erbfalls sehr schnell die Frage, ob er gegen denjenigen, der mit dem Vermächtnis belastet ist, einen Auskunftsanspruch hat.
Kann der Vermächtnisnehmer beispielsweise vom Erben nähere Informationen zu dem zu Gunsten des Vermächtnisnehmers ausgesetzten Vermächtnis erfahren?
Das Gesetz kennt keinen Auskunftsanspruch für den Vermächtnisnehmer
Wenn der Vermächtnisnehmer die entsprechenden gesetzlichen Regelungen in den §§ 2147 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auf der Suche nach einem Auskunftsanspruch durchforstet, wird er am Ende feststellen, dass es einen solchen Anspruch im Gesetz nicht gibt.
Einen expliziten Auskunftsanspruch zugunsten des Vermächtnisnehmers sieht das Gesetz nicht vor.
Die Gerichte haben aber sehr wohl erkannt, dass es im Vermächtnisrecht Situationen geben kann, bei denen der Vermächtnisnehmer zwingend darauf angewiesen ist, Auskunft zu seinem Vermächtnis zu erhalten, um das Vermächtnis überhaupt vernünftig geltend und notfalls einklagen zu können.
So wird dem Vermächtnisnehmer immer dann ein Auskunftsanspruch gewährt, wenn der Erblasser selber einen solchen Anspruch auf Auskunft zugunsten des Vermächtnisnehmers in seinem letzten Willen angeordnet hat.
Gerichte billigen dem Vermächtnisnehmer im Einzelfall einen Auskunftsanspruch zu
Zum Teil wird dabei von den Gerichten ausgegangen, dass ein Auskunftsanspruch zugunsten des Vermächtnisnehmers mit dem eigentlichen Vermächtnis gleichsam „mitvermacht“ ist.
Die Gerichte helfen sich im Bedarfsfall aber auch mit dem in § 242 BGB niedergelegten Grundsatz von Treu und Glauben, um dem Vermächtnisnehmer zu einem Auskunftsanspruch zu verhelfen.
Dabei besteht ein solcher Auskunftsanspruch zugunsten des Vermächtnisnehmers immer nur bezogen auf das konkrete Vermächtnis und dessen Durchsetzbarkeit.
Der Vermächtnisnehmer kann hingegen ohne konkretes Bedürfnis nie Auskunft zum Bestand des Nachlasses an sich verlangen.
Um Streitigkeiten in Bezug auf Bestand und Umfang des Auskunftsrechts des Vermächtnisnehmers zu vermeiden, ist es immer empfehlenswert, dass der Erblasser selber in seinem Testament oder Erbvertrag konkret anordnet, ob und in welchem Umfang dem Vermächtnisnehmer ein Auskunftsanspruch zustehen soll.
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