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Erblasserin zerreißt eines von mehreren gleich lautenden Testamenten – Das Testament ist insgesamt unwirksam!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Köln – Beschluss vom 22.04.2020 – 2 Wx 84/20

  • Erblasserin verfasst mehrere gleich lautende Testamente
  • Eines der Testamente wird von der Erblasserin vor Zeugen zerrissen
  • Gerichte betrachten auch unzerstörte Testamente als unwirksam

Das Oberlandesgericht Köln hatte über die Wirksamkeit eines Testaments zu entscheiden.

In der Angelegenheit hatte die spätere Erblasserin mit ihrem Ehemann am 16.11.2007 einen notariellen Erbvertrag errichtet.

In diesem Erbvertrag hatten sich die Eheleute für den ersten Erbfall gegenseitig als alleinige Erben eingesetzt.

Nach dem Tod des zuletzt Versterbenden sollte nach den Bestimmungen des Erbvertrages ein Urenkel des Ehepaares Erbe werden.

Überlebender Ehepartner darf neu testieren

Schließlich wurde in dem Erbvertrag aber auch festgelegt, dass der überlebende Ehepartner die in dem Erbvertrag festgelegte Erbfolge jederzeit durch Testament abändern dürfe.

Der Ehemann verstarb im Jahr 2008.

Mit privatschriftlichem Testament vom 29.10.2015 widerrief die spätere Erblasserin dann tatsächlich sämtliche zeitlich früheren Verfügungen von Todes wegen und setzte ihre Haushaltshilfe als alleinige Erbin ein.

An diese Haushaltshilfe hatte die Erblasserin im Dezember 2015 bereits eine Immobilie zu einem günstigen Preis veräußert und ihr ebenfalls eine umfangreiche Vollmacht erteilt.

Hauhaltshilfe hebt 50.000 Euro vom Konto der Erblasserin ab

Nachdem die Haushaltshilfe mit Hilfe der erteilten Vollmacht vom Konto der Erblasserin einen Betrag in Höhe von 50.000 Euro abgehoben hatte, entzog die spätere Erblasserin ihrer Haushaltshilfe die Vollmacht wieder.

Am 16.05.2019 verstarb die Erblasserin.

In der Folge beantragte die Haushaltshilfe der Erblasserin gestützt auf das Testament vom 29.10.2015 beim zuständigen Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie als alleinige Erbin der Erblasserin ausweisen sollte.

Dieses Testament vom 29.10.2015 wurde im Original beim Nachlassgericht abgegeben.

Urenkel der Erblasserin setzt auf den Erbvertrag

Gegen den Erbscheinsantrag der Haushaltshilfe protestierte aber der Urenkel der Erblasserin, der in dem Erbvertrag aus dem Jahr 2007 als alleiniger Erbe benannt worden war.

Der Urenkel der Erblasserin ließ das Nachlassgericht wissen, dass die Erblasserin im Juni 2017 einen Rechtsanwalt aufgesucht habe.

Diesem Anwalt habe die Erblasserin mitgeteilt, dass sie den Verkauf der Immobilie an die Haushaltshilfe rückgängig machen wolle.

Weiter teilte die Erblasserin, so der Vortrag des Urenkels, dem Anwalt mit, dass sie an der Erbeinsetzung der Haushaltshilfe nicht länger festhalten wolle.

Originaltestament wird von der Erblasserin zerrissen

Zur Bekräftigung dieses Vortrages habe die Erblasserin ein (weiteres) Original des Testaments vor den Augen des Anwalts zerrissen.

Der Urenkel der Erblasserin beantragte vor diesem Hintergrund seinerseits die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe.

Das Nachlassgericht vernahm in der Folge den benannten Anwalt als Zeugen, der den Vortrag des Urenkels auch zweifelsfrei bestätigen konnte.

Daraufhin teilte das Nachlassgericht mit, dass es dem Urenkel den beantragten Erbschein erteilen, den Erbscheinsantrag der Haushaltshilfe hingegen abweisen wolle.

Beschwerde zum Oberlandesgericht

Gegen diese Entscheidung legte die Haushaltshilfe Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Dort hielt man aber die Entscheidung des Nachlassgerichts für zutreffend und wies die Beschwerde ab.

Das OLG wies in der Begründung seiner Entscheidung insbesondere darauf hin, dass die Vermutungswirkung des § 2255 S. 2 BGB dann nicht anwendbar sei, wenn ein Erblasser lediglich eine von mehreren vorhandenen Urschriften eines Testaments vernichte.

Der Wille der Erblasserin ist entscheidend

Werde nur ein von mehreren vorhandenen gleich lautenden Testamenten vernichtet, müsse vielmehr ermittelt werden, ob der Erblasser die Absicht hatte, mit dem Widerruf des einen Testaments auch gleichzeitig die anderen vorhandenen Testamente außer Kraft zu setzen.

Diesen Willen konnten die Richter im zu entscheidenden Fall bei der Erblasserin feststellen, da durch die Zeugenaussage des Rechtsanwalts entsprechende Äußerungen der Erblasserin belegt waren.

Die Existenz eines unzerstörten Testaments änderte damit nichts an der Tatsache, dass sich die Erbfolge nach dem Erbvertrag aus dem Jahr 2007 richtete und der Urenkel der Erblasserin deren alleiniger Erbe wurde.

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