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Im Testament werden alle Verwandten enterbt – Der Bruder der Erblasserin wird trotzdem Alleinerbe!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Stuttgart – Beschluss vom  23.11.2020 – 8 W 359/20

  • Erblasserin schließt in ihrem Testament alle Verwandten von der Erbfolge aus
  • Der einzige Bruder der Erblasserin beantragt gleichwohl einen Erbschein als Alleinerbe
  • Gerichte folgen in zwei Instanzen den Argumenten des Bruders der Erblasserin

Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte auf Grundlage eines vom Wortlaut her eindeutigen Testaments in einem Erbfall die Erbfolge zu klären.

In der Angelegenheit hatte die spätere Erblasserin im Februar 2007 ein privatschriftliches Testament errichtet.

In diesem Testament ordnete die Erblasserin mit folgenden eigentlich unmissverständlichen Worten die Enterbung ihrer kompletten Verwandtschaft an:

Ausgeschlossen sind alle Verwandten und angeheirateten Verwandten!

Grund für diese verbitterte Anordnung in dem Testament war offensichtlich, dass die Erblasserin ihr eigenes Schicksal als Vertriebene und in diesem Zusammenhang mangelnde Empathie der Verwandtschaft für ihr Schicksal beklagte.

Erblasserin ist über die Verwandtschaft verbittert

Das Testament enthielt nämlich zur Erklärung der Enterbung der Verwandten folgende weitere Hinweise:

Die Familie … war mitleidlos gegenüber unserem Vertreibungsschicksal. „Man muss doch mal vergessen können ...“ Eine Aussage die wir von Einheimischen, die ihre Heimat behalten haben, hören mussten, die uns schwer verletzt hat! Bis heute wissen sie nicht wie wirklich grausam Heimweh nach daheim und Sehnsucht nach den Eltern und Großeltern ausbrennen!

Trotz dieses Testaments stellte der Bruder der Erblasserin nach deren Ableben bei dem Amtsgericht Biberach einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn als alleinigen Erben nach seiner Schwester ausweisen sollte.

Bruder verweist auf sein eigenes ähnliches Schicksal

Der Bruder ließ das Nachlassgericht wissen, dass der Ausschluss der Verwandtschaft für ihn nicht gelten solle.

Er habe zum einen das gleiche Vertriebenenschicksal geteilt wie seine verstorbene Schwester. Im Übrigen habe er sich mit seiner Schwester bis zuletzt gut verstanden.

Diesem Erbscheinsantrag widersprach das Land Baden-Württemberg, das sich in Anbetracht der Enterbung sämtlicher Verwandter der Erblasserin selber in der Erbenrolle sah.

Ist der Wortlaut des Testaments nicht eindeutig?

Das Land Baden-Württemberg wies darauf hin, dass der Wortlaut des Testaments eindeutig sei und regte an, das Fiskalerbrecht des Landes festzustellen.

Das Nachlassgericht Biberach favorisierte die Argumente des Bruders der Erblasserin und stellte in Aussicht, den von dem Bruder beantragten Erbschein erteilen zu wollen.

Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte das Land Baden-Württemberg Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart ein.

OLG weist die Beschwerde als unbegründet ab

Das OLG hielt die Entscheidung des Nachlassgerichts aber für zutreffend und wies die Beschwerde als unbegründet ab.

Das OLG wies in der Begründung seiner Entscheidung zunächst darauf hin, dass ein Erblasser nach § 1938 BGB „durch ein so genanntes Negativtestament Verwandte teilweise oder vollständig von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen“ kann.

Der Kreis der von einer solchen Anordnung betroffenen Verwandten sei aber immer durch eine Auslegung des Testaments zu bestimmen. Bei einer solchen Auslegung sei auch Vorsicht geboten, da man im Normalfall nicht davon ausgehen könne, dass ein Erblasser durch Enterbung der kompletten Verwandtschaft eine Fiskalerbschaft des Staates gewünscht hat.

Auslegung des Testaments führt zu Erbrecht des Bruders

Im Rahmen der Auslegung des Testaments und Ermittlung des Willens der Erblasserin kam das OLG ebenso wie bereits das Nachlassgericht zu dem Ergebnis, dass es nicht dem Wunsch der Erblasserin entsprochen hätte, auch ihren Bruder von der Erbfolge auszuschließen.

Aus dem Wortlaut des Testaments schloss das OLG, dass sich die im Testament angeordnete Enterbung der Verwandten nicht auf den Bruder der Erblasserin beziehen sollte, hatte der Bruder doch das gleiche Schicksal als Vertriebener wie seine Schwester erlebt.

Im Ergebnis konnte dem Bruder der Erblasserin damit der beantragte Erbschein als Alleinerbe erteilt werden. 

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