Ein verschwundenes Testament ist nicht alleine deswegen ungültig, weil es nicht mehr auffindbar ist
OLG Köln – Beschluss vom 19.07.2018 – 2 Wx 261/18
- Erblasser errichtet Testament, das aber nicht mehr auffindbar ist
- Die im verschwundenen Testament eingesetzte Erbin überzeugt das Gericht von ihrem Erbrecht
- Die gesetzlichen Erben gehen leer aus
Das Oberlandesgericht Köln hatte darüber zu entscheiden, ob ein verschwundenes Testament Rechtswirkungen haben kann.
Der Erblasser war im Mai 2016 kinderlos verstorben. Die Ehefrau des Erblassers war vorverstorben.
Im Juni 2016 beantragten drei Halbgeschwister des Erblassers beim Nachlassgericht einen Erbschein, der die drei Halbegeschwister als gesetzliche Erben des Erblassers zu je ⅓ ausweisen sollte.
Eine Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers hatte gegen diesen Erbscheinsantrag zunächst keine Einwendungen erhoben.
Am 15.06.2016 erteilte das Nachlassgericht daraufhin den von den Geschwistern des Erblassers erteilten Erbschein.
Testamentserbin beantragt Einziehung des unrichtigen Erbscheins
Im August 2016 wurde dann die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers nach anwaltlicher Beratung aktiv. Sie beantragte beim Nachlassgericht, den bereits erteilten Erbschein einzuziehen. Weiter stellte die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers den Antrag, dass Nachlassgericht möge ihr einen Erbschein als alleiniger Erbin des Erblassers erteilen.
Ihr Erbrecht stützte die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers auf ein Testament, dass der Erblasser angeblich am 13.02.2016 verfasst hatte. In diesem Testament sei die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers als Alleinerbin eingesetzt worden. Dieses Testament habe der Erblasser nach Errichtung in einer Küchenschublade abgelegt.
Nach dem Tod des Erblassers habe sie in der fraglichen Küchenschublade allerdings nur einen leeren Umschlag vorgefunden.
Die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers benannte gegenüber dem Gericht zwei Freundinnen und ihren Lebensgefährten als Zeugen. Letzterer sei sogar bei der Errichtung des Testaments durch den Erblasser anwesend gewesen.
Nachlassgericht hört Zeugen an
In der Folge hörte das Nachlassgericht alle Beteiligten sowie die benannten Zeugen an und hielt dann den Vortrag der Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers offenbar für plausibel.
Das Gericht beschloss, den den Geschwistern des Erblassers erteilten Erbschein als unrichtig einzuziehen und der Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers einen Erbschein als Alleinerbin zu erteilen.
Geschwister legen Beschwerde zum Oberlandesgericht ein
Gegen diesen Beschluss des Nachlassgerichts legten die Geschwister des Erblassers Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Das OLG hielt die Entscheidung des Nachlassgerichts aber für zutreffende und wies die Beschwerden als unbegründet ab.
In der Begründung seiner Entscheidung verwies das OLG darauf, dass ein nicht mehr vorhandenes Testament nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig sei.
Vielmehr können die Existenz eines verschwundenen Testaments auch mithilfe anderer Beweise, wie Zeugen oder Urkunden, nachgewiesen werden.
Keine Vermutung für einen Widerrufswillen des Erblassers
Es bestehe im Fall der Unauffindbarkeit eines Testaments auch keine Vermutung dafür, so das OLG weiter, dass das Testament vom Erblasser vernichtet worden und deshalb als widerrufen anzusehen sei. Zu einem entsprechenden Willen des Erblassers, das von ihm erstellte Testament zu widerrufen, hätten die Geschwister auch nicht vorgetragen.
Auch dem Umstand, dass die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers den zunächst von den Geschwistern des Erblassers gestellten Erbscheinsantrag unkommentiert gelassen hatte, maßen die Richter am OLG keine entscheidende Bedeutung bei.
Im Ergebnis wurde der Erblasser mithin von der Tochter seiner vorverstorbenen Ehefrau alleine beerbt.
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