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Erblasser verteilt in seinem Testament einzelne Vermögensgegenstände an verschiedene Personen – Wer wird Erbe?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Erblasser verteilen im Testament häufig einzelne Vermögensgegenstände
  • Nach dem Erbfall entsteht Streit über die Frage, wer Erbe ist
  • Der tatsächliche Wille des Erblassers ist zu ermitteln

Ein Testament dient in aller Regel dazu, für den Fall des Ablebens einer Person zu regeln, wer das Vermögen des Verstorbenen erhalten soll.

Eine solche Regelung kann der Erblasser ganz einfach dadurch treffen, indem er in seinem Testament einen oder auch mehrere Erben konkret und namentlich benennt.

Gerade in privat erstellten Testamenten nutzen Erblasser aber häufig nicht die Möglichkeit, Erben konkret zu bezeichnen, sondern ziehen es vor, ihr vorhandenes Vermögen verschiedenen Personen zuzuweisen.

Drei Immobilien werden an drei Geschwister verteilt

In solchen Testamenten finden sich dann Sätze wie

Mein Bruder soll meine Wohnung in Dortmund, Borsigplatz 1, erhalten.

Und weiter:

Meine Schwester A erbt meine Doppelhaushälfte in der Adi-Preißler-Allee in Dortmund-Brackel.

Und schließlich:

Meine Schwester B bekommt meine weitere Wohnung in der Strobelallee in Dortmund.

Wenn ein solches Testament nach dem Erbfall eröffnet wird, beginnen sämtliche Beteiligte und auch das Nachlassgericht häufig zu rätseln, wer den eigentlich Erbe des Testamentsverfassers sein soll.

Sollen die Geschwister Erben sein?

Möglich erscheint in solchen Fällen eine Deutung des Testaments, wonach alle drei noch lebenden Geschwister des Erblassers Erben sein sollen.

Fraglich erscheint aber in dem vorstehenden Beispielsfall schon, ob vorliegend jeder der Erben mit einem Anteil von ⅓ Erbe werden soll, oder ob sich die Erbteile nach dem konkreten Wert der vererbten Immobilien richten sollen.

Endgültige Verwirrung kann dann freilich bei der Nachlassabwicklung entstehen, wenn ein Beteiligter oder das Nachlassgericht die gesetzliche Regelung in § 2087 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) entdeckt, der folgendes zu entnehmen ist:

Sind dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass er Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist.

Kann es also nach dieser gesetzlichen Regelung in dem vorstehenden Beispielsfall sogar sein, dass keiner der drei im Testament benannten Geschwister des Erblassers Erbe wird?

Gerichte müssen das Testament auslegen

Wenn Gerichte so einen Streitfall zu klären haben, dann haben sie zu ermitteln, was der Erblasser mit den Regelungen in seinem Testament tatsächlich wollte.

Mittels einer so genannten Auslegung des Testaments muss nach dem Eintritt des Erbfalls festgestellt werden, ob und wen der Erblasser in seinem Testament als seinen Erben und Rechtsnachfolger einsetzen wollte.

Hierbei ist der genaue Wortlaut des Testaments ebenso zu würdigen, wie andere Erkenntnisquellen, wie z.B. lebzeitige mündliche oder schriftliche Aussagen des Erblassers.

Wollte der Erblasser sein gesamtes Vermögen verteilen?

Vordringlich muss in solchen Fällen aber vor allem geklärt werden, ob der Erblasser in seinem Testament sein ganzes oder nur Teile seines Vermögens verteilt hat.

Wenn der Erblasser nämlich mit der Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände sein Vermögen zur Gänze oder zumindest zum weit überwiegenden Teil unter den im Testament Bedachten verteilt hat, dann wird man, auch entgegen der Auslegungsregel in § 2087 Abs. 2 BGB, davon ausgehen müssen, dass der Erblasser in seinem Testament tatsächlich Erben benennen wollte.

Die gesetzliche Auslegungsregel ist nur im Zweifel einschlägig

Dabei ist auch immer zu berücksichtigen, dass die Berufung zum Erben nicht notwendigerweise voraussetzt, „dass einem Erben ein mehr oder weniger großer oder sogar der größte Teil des Nachlasses verbleibt“ (BGH, Urteil vom 07.07.2004, IV ZR 135/03).

Bei Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände in einem Testament muss die Frage, wer Erbe geworden ist, demnach unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden.

Eine pauschale Bezugnahme auf die Auslegungsregel in § 2087 Abs. 2 BGB ist nie ausreichend.

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