Unklare Verwirkungsklausel in Berliner Testament führt zu Streit unter Geschwistern
BGH – Beschluss vom 02.06.2016 – V ZB 3/14
- Eltern nehmen unklare Verwirkungsklausel in Testament auf
- Ein Kind fordert im ersten Erbfall den Pflichtteil
- Verliert das Kind damit die Stellung als Erbe?
In einer grundbuchrechtlichen Auseinandersetzung hatte der Bundesgerichtshof in dritter Instanz zu beurteilen, ob die Grundbuchberichtigung nach einem Erbfall ordnungsgemäß vorgenommen worden war.
In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar im Jahr 1985 ein notariell beurkundetes gemeinsames Testament verfasst. In diesem Testament setzten sich die Eheleute zunächst gegenseitig als alleinige Erben ein.
Weiter sah das Testament vor, dass die drei Kinder des Ehepaares nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehepartners das Familienvermögen zu gleichen Teilen erben sollten.
Testament enthält unklare Verwirkungsklausel
Schließlich enthielt das Testament noch eine Klausel, über die noch viel gestritten werden sollte:
"Derjenige, der mit diesen Testamentsbestimmungen nicht einverstanden ist, erhält nur den Pflichtteil unter Anrechnung dessen, was er bereits zu Lebzeiten von uns bekommen hat, wozu auch die Kosten einer Ausbildung, Ausstattung oder sonstige Zuwendungen gehören."
Nach dem Tod des Vaters machte die Tochter des Ehepaars gegenüber ihrer Mutter ihren Anspruch auf den Pflichtteil geltend.
In 2012 einigten sich Mutter und Tochter im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 10.500 Euro.
Anfang 2013 verstarb dann auch die Mutter.
Tochter sieht sich als Erbin und beantragt Grundbuchberichtigung
Nach dem Tod der Mutter beantragte die Tochter, die nach dem Tod ihres Vaters den Pflichtteil gefordert und erhalten hatte, beim Grundbuchamt die Umschreibung mehrerer Grundstücke von der Mutter auf die drei Kinder. Die Tochter verwies in diesem Zusammenhang auf das notarielle Testament, dass die drei Kinder ja als Schlusserben vorsah.
Das Grundbuchamt entsprach dem Antrag der Tochter und trug die drei Kinder in Erbengemeinschaft als neue Eigentümer der Grundstücke ihrer Eltern in das Grundbuch ein.
Dies wollten aber die anderen beiden Kinder nicht akzeptieren. Sie erhoben gegen die Eintragung Widerspruch und vertraten die Auffassung, dass die Tochter ihr Erbrecht verloren habe, da sie sich mit ihrer Pflichtteilsforderung gegen das Testament der Eltern aufgelehnt habe.
Die in dem Testament enthaltene Verwirkungsklausel sei, so die beiden anderen Erben, von der Tochter des Ehepaares ausgelöst worden.
Gerichte weisen Beschwerde der Geschwister ab
Grundbuchamt und auch das Oberlandesgericht wollten der Beschwerde der beiden anderen Geschwister nicht abhelfen.
Der BGH wies die Rechtsbeschwerde der beiden Geschwister ebenfalls ab.
Der BGH führte in seiner Entscheidung aus, dass das Grundbuchamt vorliegend die Eintragung der drei Geschwister zwar unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen habe, dadurch das Grundbuch aber im Ergebnis nicht unrichtig geworden sei.
Der BGH wies darauf hin, dass das Grundbuchamt die Eintragung in das Grundbuch nicht ohne das Vorliegen eines Erbscheins hätte vornehmen dürfen.
Nur in einem Erbscheinverfahren hätte nämlich geklärt werden können, inwieweit die in dem Testament enthaltene Verwirkungsklausel wirksam war und einer Erbenstellung der Tochter, die den Pflichtteil gefordert hatte, entgegenstand.
Um die Reichweite der Verwirkungsklausel zu klären, hätte das Testament ausgelegt werden müssen, um den wirklichen Willen der Eheleute zu ermitteln. Eine solche Auslegung konnte aber, so der BGH, vom Grundbuchamt mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht vorgenommen werden.
Alleine auf Grundlage des notariellen Testaments hätte es vorliegend keine Grundbuchberichtigung geben dürfen.
Es hätte vielmehr zwingend geklärt werden müssen, was die Eltern mit der Anordnung gemeint haben, dass derjenige nur seinen Pflichtteil erhalten soll, der „mit den „Testamentsbestimmungen nicht einverstanden ist“.
BGH verweist zur Klärung auf den Zivilrechtsweg
Durch das Unterlassen der Aufklärung dieser testamentarischen Anordnung sei, so der BGH weiter, das Grundbuch im Ergebnis aber nicht – zwingend – unrichtig geworden.
Tatsächlich könne die fragliche Klausel nämlich sowohl in dem Sinne verstanden werden, dass die Tochter durch die Forderung des Pflichtteils erklärt habe, dass sie mit den Anordnungen im Testament nicht einverstanden ist.
Ebenso sei es aber möglich, und so argumentierte die Tochter in dem Verfahren, dass die Tochter durch die Geltendmachung des Pflichtteils gerade signalisiert hat, dass sie sich mit ihrer Enterbung im ersten Erbfall für einverstanden erklärt.
Diese Frage könnten und müssten die Beteiligten im Rahmen eines Zivilprozesses klären. Das Grundbuchverfahren sei aber der falsche Ort, um hier eine Entscheidung in die eine oder die andere Richtung zu fällen.
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