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Betreuerin lässt sich vom Betreuten in einem notariellen Testament als Erbin einsetzen – Das Testament ist sittenwidrig und unwirksam!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Celle – Urteil vom 07.01.2021 – 6 U 22/20

  • Erblasser ist testierunfähig und wird von seiner Betreuerin trotzdem zur Errichtung eines Testaments gebracht
  • In dem Testament wird die Betreuerin als Erbin eingesetzt
  • Nach dem Tod des Erblassers stellen diverse Gerichte die Rechtswidrigkeit des Handelns der Betreuerin fest

Das Oberlandesgericht Celle hatte es mit einem offensichtlich eher dreisten Fall von Erbschleicherei einer Berufsbetreuerin zu tun.

In der Angelegenheit war der kinderlose und nicht verheiratete Erblasser im Jahr 2012 im Alter von 83 Jahren verstorben.

Der Erblasser war Ende Dezember 2004 aufgrund zunehmender Verwirrtheit in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses eingewiesen worden. Dort wurde bei dem Erblasser ein frischer Hirninfarkt festgestellt.

Der spätere Erblasser wird unter Betreuung gestellt

Mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 07.01.2005 wurde dem Betroffenen eine Rechtsanwältin als Berufsbetreuerin zur Seite gestellt.

Nach seinem Krankenhausaufenthalt wurde der spätere Erblasser am 01.04.2005 auf eine gerontopsychiatrischen Pflegestation eines Pflegeheimes verlegt, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 2012 auch verblieb.

Am 04.05.2005 sorgte die Betreuerin dafür, dass der Erblasser in dem Pflegeheim Besuch von einer der Betreuerin „persönlich bekannten und vertrauten Notarin“ erhielt.

Notarin beurkundet ein Testament des Erblassers

Diese Notarin beurkundete an diesem Tag ein Testament des Erblassers, in dem die Betreuerin und ein Bekannter der Betreuerin zu je ½ als Erben des Erblassers eingesetzt wurden.

Nach dem Eintritt des Erbfalls begannen die beiden im notariellen Testament eingesetzten Erben den nicht unbeträchtlichen und aus Geldvermögen und Wertpapieren bestehenden Nachlass unter sich aufzuteilen.

Erst als die örtliche Sparkasse das von der Betreuerin vorgelegte notarielle Testament für eine Auflösung der Erblasser-Konten nicht mehr als ausreichend ansah und von der Betreuern einen Erbschein zum Nachweis ihrer Erbenstellung anforderte, kam die fröhliche Verteilung des Erblasservermögens ins Stocken.

Nachlassgericht will der Betreuerin keinen Erbschein erteilen

Der von der Betreuerin nachfolgend beim Nachlassgericht gestellte Antrag auf Erteilung eines Erbscheins wurde vom Nachlassgericht Hannover aber abgewiesen.

Das Nachlassgericht machte mit dem Erbscheinsantrag der Betreuerin kurzen Prozess.

Es ließ die Betreuerin wissen, dass aufgrund eindeutiger Zeugenaussagen davon auszugehen sei, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen sei.

Entscheidendes Anzeichen für die Testierunfähigkeit des Erblassers im fraglichen Zeitpunkt war für das Nachlassgericht aber auch die Tatsache, dass es für die Erbeinsetzung der Betreuerin und deren Bekannten im Testament des Erblassers keinen plausiblen Grund gab.

Erblasser kannte nicht einmal den Namen der Betreuerin

Von der Betreuerin kannte der Erblasser ausweislich einer zu Lebzeiten im Betreuungsverfahren erfolgten richterlichen Anhörung nicht einmal deren Namen, zu dem anderen Erben war im Erbscheinsverfahren überhaupt keine Beziehung zum Erblasser vorgetragen worden.

In der Zwischenzeit waren sogar die Strafermittlungsbehörden auf die beiden Erben aufmerksam geworden und hatten sowohl gegen die Betreuerin als auch gegen den Bekannten der Betreuerin ein Verfahren wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Untreue eingeleitet.

Am 14.01.2014 setzte das Nachlassgericht dann einen Nachlasspfleger ein und beauftragte ihn mit der Ermittlung der tatsächlichen Erben und mit der Sicherung des Nachlasses.

Der Nachlasspfleger wurde dann auch unmittelbar tätig und leitete Maßnahmen ein, um der Betreuerin und deren Bekannten die von diesen vereinnahmten Nachlasswerte wieder abzunehmen.

Klage des Nachlasspflegers gegen die Betreuerin

Der Nachlasspfleger erhob im März 2014 Klage zum Landgericht gegen die Betreuerin und deren Bekannten auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und Herausgabe der Vermögenswerte.

Interessanterweise erhob die Betreuerin in diesem Verfahren auch noch Widerklage gegen den Nachlasspfleger auf Feststellung ihres Erbrechts.

Das Landgericht ermittelte in diesem Verfahren zwischen dem Nachlasspfleger und der Betreuerin durch die Anhörung von Zeugen und Einholung von Gutachten den maßgeblichen Sachverhalt.

Auf dieser Grundlage kam das Landgericht zu demselben Ergebnis, wie bereits das Nachlassgericht. Der Erblasser war zum Zeitpunkt der Errichtung seines Testaments testierunfähig und das Testament damit unwirksam.

Landgericht gibt der Klage des Nachlasspflegers statt

Der Klage des Nachlasspflegers wurde stattgegeben, die Widerklage der Betreuerin wurde abgewiesen.

Die Betreuerin hatte nach dieser Entscheidung aber immer noch nicht genug und legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung zum Oberlandesgericht ein.

Das OLG bestätigte aber mit durchaus deutlichen Worten die Entscheidung des Landgerichts und ging sogar noch darüber hinaus.

Auch das OLG hielt den Erblasser im maßgeblichen Zeitraum für testierunfähig und das Testament bereits aus diesem Grund für unwirksam.

OLG stellt die Sittenwidrigkeit des Testaments fest

Das OLG stellte aber darüber hinaus fest, dass das notarielle Testament des Erblassers vom 04.05.2005 nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig war.

Das OLG führte in diesem Zusammenhang aus, dass sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts auch aus den besonderen „Umständen des Zustandekommens“ eines Testaments ergeben könne.

Das OLG Celle verwies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des OLG Braunschweig (Az.: 2 U 29/99), in dem bereits im Jahr 1999 folgendes festgestellt wurde:

„Der Betreuer ist ein vom Vormundschaftsgericht bestellter staatlicher Beistand zur Fürsorge in rechtlichen und auch persönlichen Angelegenheiten. Der Betreute kann und wird deshalb von dem staatlich bestellten Betreuer auch erwarten, dass er seine Aufgabe auch ohne die Erwartung besonderer Zuwendungen von Seiten des Betreuten zu dessen Wohl sachgerecht ausübt.
Diesen Grundsätzen des Betreuungsrechts ist zu entnehmen, dass es das Gesetz als sittenwidrig missbilligt, wenn ein Betreuer seine ihm gerichtlich verliehene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten dazu benutzt, gezielt darauf hinzuwirken, dass der infolge seiner geistigen Behinderung leicht beeinflussbare Betreute ohne reifliche Überlegung über erhebliche Vermögenswerte zugunsten des Betreuers durch ein Testament vor einem Notar verfügt, der nicht von dem Betreuten als sein Berater hinzugezogen ist, sondern von dem begünstigten Betreuer.
Für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit reicht es dabei aus, dass sich der Betreuer, der durch die von ihm herbeigeführte letztwillige Verfügung bedacht ist, der Tatumstände bewusst ist, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt.“

Diesen Ausführungen des OLG Braunschweig schloss sich das OLG Celle ausdrücklich an.

Betreuerin handelte ausschließlich eigennützig

Die Betreuerin habe, so der Vorwurf des OLG, die Errichtung des notariellen Testaments durch den Erblasser alleine im Eigeninteresse inszeniert.

Weiter sei das Betreuungsgericht weder während der Dauer der Betreuung noch in den Monaten nach dem Tod des Erblassers über die Erbenstellung der Betreuerin und über die jedenfalls teilweise bereits stattgefundene Verteilung des Nachlasses informiert worden. 

Die Betreuerin habe vielmehr „die Situation des körperlich eingeschränkten, weitgehend hilflosen und vereinsamten Erblassers“ zu ihren Gunsten ausgenutzt.

Im Ergebnis verloren die Betreuerin und auch ihr Bekannter nach dieser Entscheidung ihre Erbenstellung und mussten den kompletten Nachlass neun Jahre nach dem Erbfall an den Nachlasspfleger herausgeben.

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