Eltern vergessen in einem Ehegattentestament die Einsetzung ihrer Kinder als Schlußerben – Wer wird Erbe?
OLG München – Beschluss vom 08.11.2016 – 31 Wx 224/16
- Eheleute vergessen Schlusserbenbenennung in gemeinsamem Testament
- Nach dem Tod des Ehemannes errichtet die Ehefrau ein neues Testament
- Gerichte müssen klären, ob die Kinder des Ehepaares erben
Das Oberlandesgericht München hatte in einem Erbscheinsverfahren über die Erbfolge eines Ehepaares zu befinden.
Die Eheleute hatten zwei Söhne und hatten am 07.09.2000 ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet.
In diesem Testament hatten die Eheleute festgelegt, dass im Todesfall der jeweils andere Partner der alleinige Erbe sein soll.
Im Testament wird kein Schlusserbe eingesetzt
Dem Testament war aber keine ausdrückliche Regelung der Frage zu entnehmen, wer nach dem Tod des zunächst überlebenden Ehepartners das Familienvermögen erben soll.
Das Testament enthielt lediglich Aussagen zu einem „Pflichtteils“- bzw. „Erbteilsverzicht“ der beiden Söhne bis zu dem Zeitpunkt, zu dem beide Eltern verstorben sind.
Weiter enthielt das Testament Aussagen zu der Frage, wie eine Immobilie, Bargeld und das Mobiliar der Immobilie nach dem Tod beider Eltern unter den Söhnen aufgeteilt werden soll.
Der Ehemann verstarb im Jahr 2002 und wurde von seiner Frau alleine beerbt.
Ehefrau errichtet neues Testament
Die Ehefrau errichtete dann in der Folge im Jahr 2007 ein weiteres Testament. In diesem privaten Testament setzte die Ehefrau andere Personen als ihre Söhne zu ihren Erben ein.
Nach dem Tod der Ehefrau kam es zwischen den Kindern des Ehepaares und den in dem einseitigen Testament der Ehefrau aus dem Jahr 2007 als Erben benannten Personen zum Streit über die Frage der Erbfolge. Die in dem Testament aus dem Jahr 2007 benannten Erben beanspruchten das Erbrecht für sich und beantragten einen entsprechenden Erbschein.
Das Nachlassgericht favorisierte allerdings die Söhne des Ehepaares als Erben und wies den Antrag auf Erteilung des Erbscheins zurück. Gegen diesen Beschluss richtete sich dann die Beschwerde der unterlegenen Erbprätendenten.
OLG weist Beschwerde gegen Entscheidung des Nachlassgerichts zurück
Das OLG München wies diese Beschwerde allerdings als unbegründet zurück.
Auch wenn die Eltern ihre beiden Söhne in ihrem gemeinsamen Testament aus dem Jahr 2000 nicht ausdrücklich als Schlusserben benannt hätten, so ergebe sich eine Erbenstellung der Söhne des Ehepaares doch im Wege der Auslegung des gemeinsamen Testaments.
Das OLG wies in der Begründung seiner Entscheidung zunächst darauf hin, dass das gemeinsame Ehegattentestament aus dem Jahr 2000 auslegungsbedürftig, da inhaltlich unklar, sei.
Auslegung des Testaments ergibt eine Erbenstellung der Kinder
Die Auslegung des Testaments ergebe jedoch, dass die Eltern ihre beiden Kinder als Schlusserben benennen wollten.
Im Wesentlichen stützte das Gericht seine Erwägungen dabei auf den Umstand, dass das gemeinsame Testament aus dem Jahr 2000 vorsah, dass beide Söhne „auf ihren „Pflichtteil“ bzw. Erbteil“ bis zum Tod des überlebenden Ehegatten verzichten“ sollten.
Diese Regelungen würden den Schluss nahe legen, so das OLG, „dass die Ehegatten ihre Kinder als gleichberechtigt in Bezug auf ihren Nachlass angesehen haben.“
In der Gesamtschau aller Umstände und der von den Ehegatten verwendeten Formulierungen und Zuwendungen in Bezug auf ihre Kinder komme, so das OLG, „der gemeinsame Wille der Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zum Ausdruck, dass ihre Söhne zu gleichen Teilen ihre Rechtsnachfolger in wirtschaftlicher Hinsicht sein sollen.“
Ehefrau war durch gemeinsames Testament gebunden
Weiter vertrat das OLG die Auffassung, dass die Erbeinsetzung der Ehefrau in dem gemeinsamen Testament aus dem Jahr 2000 wechselbezüglich zu der im Wege der Auslegung ermittelten Erbeinsetzung der beiden Söhne sei.
Diese Wechselbezüglichkeit der Verfügungen der Eheleute hinderte die Ehefrau dann auch daran, zeitlich später im Jahr 2007 ein abweichendes Testament zu verfassen. Dieses Testament aus dem Jahr 2007 war, soweit es das Erbrecht der beiden Söhne tangierte, unwirksam.
Auch eine von den Antragstellern des Erbscheins erklärte Testamentsanfechtung der Verfügungen der Eheleute in dem gemeinsamen Testament hielt das OLG im Ergebnis nicht für durchgreifend.
Im Ergebnis wurde der Erbscheinsantrag auch in der Beschwerdeinstanz zurückgewiesen und die Beschwerdeführer hatten die Gerichts- und sämtliche Anwaltskosten zu tragen.
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