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Der Erbe soll nur seinen Pflichtteil erhalten – Was bedeutet diese Formulierung rechtlich?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Privat erstellte Testamente sind oft unklar formuliert
  • Kann mit der Zuwendung des Pflichtteils eine Erbeinsetzung verbunden sein?
  • Im Zweifel muss das Testament ausgelegt werden

Vielen Erblassern, die ihre Erbfolge durch ein Testament regeln wollen, ist die Bedeutung des Begriffs „Pflichtteil“ durchaus bewusst.

Der Pflichtteil ist die gesetzliche Mindestbeteiligung an einer Erbschaft, die nächsten Angehörigen bzw. dem Ehepartner zusteht und die dieser Personengruppe nur in Ausnahmefällen entzogen werden kann.

Pflichtteilsrechte werden regelmäßig dadurch ausgelöst, indem ein Erblasser in seinem letzten Willen direkt oder konkludent einen nächsten Angehörigen von der Erbfolge ausschließt.

Dies kann durch konkrete Anordnung geschehen („Ich enterbe meinen Sohn Hans“) oder auch konkludent erfolgen („Meine alleinige Erbin soll meine Ehefrau sein“ – Vorhandene Kinder sind durch diese Formulierung von der Erbfolge ausgeschlossen).

Verschiedene Formulierungen im Testament

Der Erblasser hat aber neben den vorstehend aufgeführten Formulierungen auch die Möglichkeit, die Pflichtteilsproblematik durch direkte Zuweisung in seinem Testament zu regeln. Immer wieder finden sich nachfolgende Formulierungen in letztwilligen Verfügungen:

„Meinen Sohn Franz setze ich auf den gesetzlichen Pflichtteil.“

 „Meine Tochter Eva soll lediglich ihren gesetzlichen Pflichtteil erhalten.“

 „Meiner Ehefrau Beate wende ich den Pflichtteil zu.“

Ähnliche Formulierungen tauchen in Testamenten auf, wenn Kinder bei Tod des erstversterbenden Ehepartners davon abgehalten werden sollen, ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Elternteils geltend zu machen:

Macht eines unserer Kinder nach dem Ableben des Erstversterbenden gegen den Willen des überlebenden Ehepartners seinen Pflichtteil geltend, so soll es auch nach dem Tod des länger lebenden Ehepartners lediglich seinen Pflichtteil erhalten.“

Welche Rechtsstellung hat der Pflichtteilsberechtigte?

In rechtlicher Hinsicht ist nicht immer hinreichend klar, welche Rechtsstellung der dergestalt in einem Testament bedachte Pflichtteilsberechtigte haben soll. In Frage kommen grundsätzlich drei Konstellationen:

  • Der Pflichtteilsberechtigte soll Erbe werden. Seine Erbe soll aus seinem Pflichtteil bestehen.
  • Der Pflichtteilsberechtigte soll lediglich enterbt werden und gerade nicht als Erbe eingesetzt werden.
  • Der Pflichtteilsberechtigte soll nicht Erbe werden, sondern ein Vermächtnis in Höhe seines gesetzlichen Pflichtteilsanspruchs erhalten.

Nachdem jede der drei vorstehenden Deutungsmöglichkeiten sich zwar nicht wirtschaftlich, aber durchaus in rechtlichen Details auswirken, macht es Sinn, dass der Erblasser bei der Anordnung „Person X erhält nur den Pflichtteil“ klarstellt, welche rechtliche Position der Empfänger des Pflichtteils haben soll.

Da eine solche Klarstellung in vielen letztwilligen Verfügungen nicht getroffen wird, ist im Zweifel das Testament auszulegen.

Hilfreich ist dabei eine in § 2304 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) normierte Auslegungsregel, wonach „die Zuwendung des Pflichtteils … im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen“ ist.

Das Gesetz geht demnach davon aus, dass ein Pflichtteilsberechtigter in aller Regel nicht die starke Stellung (und die Pflichten) eines Erben haben soll.

Enterbung oder Zuwendung eines Vermächtnisses

Ob dem Betroffenen vom Erblasser ein Vermächtnis in Höhe seines Pflichtteils ausgesetzt werden sollte oder der Betroffene „nur“ enterbt wurde, ist danach zu entscheiden, ob der Erblasser dem Betroffenen positiv etwas zuwenden wollte (dann Vermächtnis) oder der Erblasser nur das belassen wollte, was er von Gesetzes wegen nicht entziehen konnte (dann Enterbung).

Relevant wird die Unterscheidung zwischen Vermächtnis und bloßer Enterbung zum Beispiel dann, wenn ein Gläubiger den Anspruch des Betroffenen im Wege der Zwangsvollstreckung pfänden will.

Während ein Vermächtnisanspruch stets ohne weiteres pfändbar ist, muss bei der bloßen Enterbung der Pflichtteilsanspruch durch Vertrag anerkannt oder vom Pflichtteilsberechtigten rechtshängig (also durch Klage geltend gemacht) worden ist.

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