Kann man Pflichtteilsansprüche vermeiden oder reduzieren?
- Vermögen bereits zu Lebzeiten reduzieren
- Änderung des Güterstandes kann den Pflichtteil mindern
- Heirat und Adoption haben Auswirkung auf den Pflichtteil
§ 2303 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) hat schon so manch einem Erblasser schlaflose Nächte bereitet.
Dieser Paragraf normiert nämlich das Pflichtteilsrecht für Kinder, Eltern und den Ehegatten des Erblassers.
Trotz der im Grundgesetz geschützten Testierfreiheit, ist die Freiheit des Erblassers im Hinblick auf den gesetzlich vorgesehenen Pflichtteil naher Angehöriger als Mindestbeteiligungsrecht dieser Personen am Nachlass durchaus eingeschränkt.
Durch den Pflichtteil wird die Testierfreiheit des Erblassers massiv eingeschränkt
Der Erblasser kann gerade nicht frei entscheiden, wer sein Vermögen nach seinem Ableben erhalten soll.
Die Pflichtteilsberechtigten sind jedenfalls im Hinblick auf das Vermögen des Erblassers regelmäßig immer mit von der Partie, selbst wenn der Wille des Erblassers dem entgegensteht.
Es gibt jedoch Strategien, die es einem als Erblasser erlauben, diese gesetzlich auferlegte Einschränkung wieder aufzuweichen:
Verkauf einer Immobilie gegen Leibrente
Der Pflichtteilsanspruch der nächsten Angehörigen bemisst sich nach dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls.
Der Erblasser ist allerdings frei in seiner Entscheidung, den Wert seines Vermögens (und damit seines zukünftigen Nachlasses) noch zu Lebzeiten zu schmälern.
In der Regel keine gute Idee ist es dabei, Vermögenswerte zu Lebzeiten einfach zu verschenken.
Zum einen profitiert der Erblasser selber in diesem Fall nicht mehr von dem verschenkten Vermögen und zum anderen droht – zumindest binnen eines Zeitraums von zehn Jahren ab Schenkung – ein so genannter Pflichtteilsergänzungsanspruch der Pflichtteilsberechtigten, § 2325 BGB.
Verkauf einer Immobilie gegen Leibrente kann den Pflichtteil schmälern
Der Erblasser kann allerdings einzelne Vermögensgegenstände, so z.B. eine Immobilie, gegen eine so genannte Leibrente, § 759 BGB, an einen Dritten (den zukünfigen Erben?) verkaufen.
Der Vermögensgegenstand scheidet mit dem Verkauf rechtlich und wirtschaftlich aus dem Vermögen des Erblassers aus und erhöht nicht mehr den zukünftigen Nachlasswert.
Der Erblasser erhält eine angemessene regelmäßige, z.B. monatliche, Zahlung von dem Erwerber.
Pflichtteilsberechtigte können hier im Erbfall gerade keinen Ergänzungsanspruch geltend machen, da es sich bei dem vom Erblasser vorgenommenen Rechtsgeschäft nicht um eine Schenkung gehandelt hat.
„Schenkungen“ mit Gegenleistungen verknüpfen
Oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass die bedingungslose Weggabe eigenen Vermögens durch den Erblasser den Pflichtteilsberechtigten im Erbfall nur bedingt tangiert, da er im Falle einer Schenkung einen so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben hat.
Jede Schenkung, die der Erblasser vornimmt, wird für einen Zeitraum von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der Schenkung – zwar degressiv – aber trotzdem den Pflichtteil erhöhend berücksichtigt, § 2325 BGB.
Voraussetzung eines jeden Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 BGB ist jedoch das Vorliegen einer „Schenkung“.
Eine Schenkung im Rechtssinne liegt vor, wenn eine unentgeltliche Zuwendung gemacht wird, § 516 BGB.
Wenn der Erblasser eine Gegenleistung erhält, dann liegt keine Schenkung vor
Eine Schenkung liegt demnach nicht vor, wenn der Erblasser für die Weggabe von Vermögensteilen von demjenigen, dem er den Vermögensgegenstand zukommen lässt, etwas erhält.
Für die Frage, ob eine Schenkung vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der Zuwendung abzustellen.
Solange Leistung des Erblassers und Gegenleistung des Vermögensempfängers nicht in krassem Missverhältnis zueinander stehen, kann beispielsweise die Vereinbarung von zu erbringenden Pflegeleistungen durch den Vermögensempfänger aber auch Nießbrauchs- oder Wohnungsrechte zugunsten des zukünftigen Erblassers dazu führen, dass eben keine Schenkung mehr vorliegt und durch die Vermögensübertragung keine Pflichtteilsergänzungsansprüche mehr ausgelöst werden.
Heirat oder Adoption
Ein – legaler – Weg die Pflichtteilsquote von nahen Angehörigen zu reduzieren besteht darin, die familien- und damit auch erbrechtliche Stellung des favorisierten Erben zu verbessern.
Dies kann durch die Eingehung einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft mit dem oder auch durch die Adoption des – bisher nicht pflichtteilsberechtigten zukünftigen – Erben geschehen.
Unter den Voraussetzungen des § 1767 BGB ist auch die Adoption Volljähriger möglich.
Hat man durch Ehe oder Adoption den erbrechtlichen Status des zukünftigen Erben aufgewertet, schmälert dies automatisch die Ansprüche der weiteren Pflichtteilsberechtigten.
Änderung Güterstand
Der Güterstand, in dem Eheleute leben, hat Auswirkungen auf die Höhe des dem Ehegatten und etwaig vorhandenen Kindern zustehenden Pflichtteils.
So erhält der Ehegatte im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft bei der so genannter erbrechtlichen Lösung (großer Pflichtteil) einen Pflichtteil von ¼ des Nachlasses, während der Pflichtteil beispielsweise im Güterstand der Gütertrennung bei angenommenen drei vorhandenen Kindern lediglich ⅛ ausmacht.
Auch toleriert die Rechtsprechung erhebliche Vermögensverschiebungen von Eheleuten untereinander bei Begründung des Güterstandes der Gütergemeinschaft, § 1415 BGB.
Eine (Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösende) Schenkung wird von den Gerichten hier nur im Ausnahmenfall angenommen.
Wegzug ins Ausland, Wechsel der Staatsangehörigkeit, Vermögensverlagerung ins Ausland
Bei größeren Vermögen kann es sich lohnen, über Auslandsaktivitäten nachzudenken, um Pflichtteilsansprüche zu reduzieren.
Ziel solcher Aktivitäten ist regelmäßig die Anwendung der erbrechtlichen Regelungen fremder Rechtsordnungen, die entweder gar kein Pflichtteilsrecht für Angehörige oder im Vergleich zum deutschen Recht nur reduzierte Pflichtteilsrechte kennen.
Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.
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