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Ersatzerben oder Nacherben einsetzen – Was wollte der Erblasser?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Erblasser verwechseln häufig die Begriffe „Nacherbe“ und „Ersatzerbe“
  • Im Zweifel muss das Testament ausgelegt werden
  • Gesetzliche Auslegungsregel hilft im Einzelfall

Bei privat erstellten Testamenten kommt es zuweilen vor, dass der Verfasser des Testaments juristische Begriffe verwendet, ohne den genauen Sinn und Zweck dieser Begriffe zu kennen.

Beliebt ist zum Beispiel die Verwechslung der Begriffe „Ersatzerbe“ und „Nacherbe“.

Ein Ersatzerbe ist ein Erbe, der dann die Rechtsnachfolge des Erblassers antritt, wenn der eigentliche Erbe wegfällt, § 2096 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Hat der Ehemann zum Beispiel in seinem Testament seine Frau als Erbin und den gemeinsamen Sohn als Ersatzerben eingesetzt, dann erbt nach dem Tod des Mannes die Ehefrau.

Der Sohn als Ersatzerbe kommt nur dann zum Zug, wenn die Ehefrau entweder vor dem Ehemann verstirbt oder das Erbe nach dem Tod des Mannes ausschlägt.

Nacherbe ist vollwertiger Erbe

Ein Nacherbe hat hingegen eine komplett andere Rechtsstellung als ein Ersatzerbe. Ein Nacherbe ist ein vollwertiger Erbe und kommt nach einem vom Erblasser in seinem Testament benannten Vorerben in den Genuss der Erbschaft, § 2100 BGB.

Hat der Ehemann beispielsweise seine Frau als Vorerbin und seinen Sohn als Nacherben in seinem Testament eingesetzt, dann erhält im Falle des Ablebens des Mannes zunächst die Frau den kompletten Nachlass. Wenn die Frau verstirbt geht der Nachlass dann an den Sohn als Nacherben.

Wenn in einem privat erstellten Testament die Begriffe „Ersatzerbe“ und „Nacherbe“ verwendet werden, ohne dass klar ersichtlich ist, was der Erblasser damit eigentlich gewollt hat, dann ist oft guter Rat teuer.

Ein unklares Testament muss ausgelegt werden

Bei Unklarheiten in einem Testament muss im Streitfall der Wille des Erblassers im Wege einer so genannten Testamentsauslegung ermittelt werden.

Gerichte versuchen bei einem unklaren Testament festzustellen, was der Erblasser mit seiner Anordnung eigentlich gewollt hat. Dabei ziehen Gerichte im Rahmen der Auslegung sowohl den Wortlaut des Testaments, aber auch sonstige Umstände außerhalb des letzten Willens heran.

Im Rahmen der Testamentsauslegung kann sich dann durchaus ergeben, dass der Erblasser, obwohl er den Begriff „Ersatzerbe“ verwendet hat, einen Nacherben einsetzen wollte.

Ein starkes Indiz für die Anordnung einer Nacherbschaft ist es beispielsweise, wenn der Erblasser in seinem Testament angeordnet hat, dass nach einer Person A eine  Person B Erbe sein soll.

Selbst wenn der Erblasser in diesem Fall die Person B „nur“ als Ersatzerbe bezeichnet hat, würde viel dafür sprechen, dass der Person B tatsächlich die Stellung eines Nacherben zukommen soll.

Am Ende hilft eine gesetzliche Auslegungsregel

Oft stoßen die Juristen bei der Ermittlung des Erblasserwillens aber auch an Grenzen. Gelangt man auch durch eine Auslegung des Testaments zu keinem belastbaren Ergebnis, so hilft in Grenzfällen eine gesetzliche Auslegungsregel bei der Unterscheidung zwischen Ersatz- und Nacherbe.

Nach § 2102 Abs. 2 BGB gilt nämlich folgendes:

Ist zweifelhaft, ob jemand als Ersatzerbe oder als Nacherbe eingesetzt ist, so gilt er als Ersatzerbe.

Wenn aus dem Testament also nicht klar hervorgeht, ob einer Person die (schwächere) Stellung als Ersatzerbe oder die (stärkere) Stellung als Nacherbe zukommen soll, dann gilt sie im Zweifel (nur) als Ersatzerbe.

Nachdem der Ersatzerbe nur dann zum Zug kommt, wenn ein vorrangig eingesetzter Erbe wegfällt, geht die Erbschaft in aller Regel am Ersatzerben vorbei.

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