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Testamentsvollstrecker und Ergänzungspfleger eines minderjährigen Erben kann ein und dieselbe Person sein

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Hamm – Beschluss vom 15.05.2017 – 7 WF 240/16

  • Erblasserin benennt ihren Bruder in ihrem Testament gleichzeitig als Testamentsvollstrecker und als Ergänzungspfleger
  • Familiengericht ernennt nicht den Bruder sondern das Jugendamt als Ergänzungspfleger
  • OLG bestätigt die Entscheidung des Familiengerichts

Das Oberlandesgericht Hamm hatte über die Frage zu befinden, ob ein Testamentsvollstrecker gleichzeitig die Rolle eines Ergänzungspflegers für einen minderjährigen Erben übernehmen kann.

In der Angelegenheit war die Erblasserin im Mai 2016 verstorben. Die Erblasserin war im Dezember 2015 von ihrem Ehemann scheiden lassen. Aus der Ehe waren zwei Kinder hervorgegangen.

Im September 2015 hatte die Erblasserin ein notarielles Testament errichtet. Ziel dieses Testaments war ersichtlich, dass der Ehemann der Erblasserin im Erbfall so weit wie möglich vom Vermögen der Erblasserin entfernt bleibt.

Zu diesem Zweck setzte die Erblasserin ihre beiden Kinder als Vorerben ein. Nacherben sollten, unter Ausschluss des Ehemannes, die gesetzlichen Erben der Kinder sein.

Gleichzeitig ordnete die Erblasserin Testamentsvollstreckung an und setzte ihren Bruder als Testamentsvollstrecker ein.

Erblasserin wünscht ihren Bruder als Ergänzungspfleger für minderjährige Kinder

Weiter bestimmte die Erblasserin in ihrem Testament, dass ihr Bruder neben seiner Aufgabe als Testamentsvollstrecker auch das Amt des Ergänzungspflegers für das Erbe der beiden Kinder übernehmen sollte, soweit die Kinder im Zeitpunkt des Erbfalls noch minderjährig sein sollten.

Nach dem Ableben der Erblasserin wurde das Testament am 18.07.2016 eröffnet.

In der Folge erließ das zuständige Familiengericht einen Beschluss, mit es für die noch minderjährige Tochter der Erblasserin nicht den Bruder der Erblasserin, sondern das Jugendamt als Ergänzungspfleger bestellte.

Das Familiengericht bezog sich in diesem Beschluss auf eine Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein, wonach ein Erblasser nicht anordnen könne, dass ein Testamentsvollstrecker gleichzeitig auch Ergänzungspfleger für minderjährige Erben sein kann.

Das zuständige Jugendamt, so das Familiengericht in seinem Beschluss, sei zur Übernahme des Amtes des Ergänzungspflegers für die minderjährige Erbin bereit und auch geeignet.

Bruder legt gegen die Entscheidung des Familiengerichts Beschwerde ein

Gegen diesen Beschluss des Familiengerichts legte der Bruder der Erblasserin Beschwerde ein. Der Bruder sah keinen generellen Interessenkonflikt zwischen seiner Aufgabe als Testamentsvollstrecker einerseits und dem Amt als Ergänzungspfleger auf der anderen Seite.

Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde des Bruders der Erblasserin als unbegründet zurück.

Dabei wies das OLG in der Begründung seiner Entscheidung allerdings darauf hin, dass es, anders als noch das Familiengericht und diverse andere Oberlandesgerichte, kein Problem damit hat, wenn ein Testamentsvollstrecker gleichzeitig die Rolle als Ergänzungspfleger für einen minderjährigen Erben übernimmt.

Dies gelte insbesondere dann, wenn „aufgrund der bisherigen Erfahrungen und des engen persönlichen Verhältnisses der Beteiligten kein Anlass zu der Annahme besteht, der Vertreter werde unbeschadet seiner eigenen Interessen die Belange des Erben/Vertretenen nicht im gebotenen Maße wahren und fördern“.

OLG: Personenidentität von Testamentsvollstrecker und Ergänzungspfleger möglich

Anhaltspunkte dafür, dass der Bruder der Erblasserin die Interessen der minderjährigen Tochter nicht ordnungsgemäß wahrnehmen würde, hatte das Gericht nicht.

Die Beschwerde wurde aber trotzdem als unbegründet abgewiesen, weil sich die minderjährige Tochter und Miterbin der Bestellung des Bruders der Erblasserin zum Ergänzungspfleger widersprochen hatte.

Dieser Widerspruch durch die betroffene Tochter der Erblasserin habe zwar nicht zur Folge, dass das Familiengericht zwingend einen anderen als den von der Erblasserin gewünschten Ergänzungspfleger benennen müsse.

Vielmehr habe das Familiengericht in diesem Fall eine Ermessensentscheidung zu treffen.

Diese Ermessensentscheidung habe das Familiengericht im konkreten Fall zugunsten des Jugendamtes getroffen. Diese Entscheidung sei, so das OLG, nicht zu beanstanden und von allen Beteiligten zu akzeptieren.

Die Beschwerde des Bruders der Erblasserin wurde mithin abgewiesen. Das Amt des Ergänzungspflegers blieb ihm verwehrt.

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