Der im Testament oder Erbvertrag eingesetzte Erbe verstirbt vor dem Erblasser – Wer wird in diesem Fall Erbe?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Der im letzten Willen eingesetzte Erbe stirbt vor dem Erblasser
  • Ohne Ersatzerbenbestimmung muss das Testament ausgelegt werden
  • Der Wille des Erblassers entscheidet

Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass die von einem Erblasser in seinem Testament oder Erbvertrag angeordnete Erbfolge nach dem Eintritt des Erbfalls nicht umgesetzt werden kann.

Hat der Erblasser nämlich in seinem Testament beispielsweise seinen Ehepartner oder seinen Freund als Erben eingesetzt und ist der Ehepartner bzw. der Freund bereits zeitlich vor dem Erblasser verstorben, dann löst der letzte Wille des Erblassers bei den Hinterbliebenen zunächst Ratlosigkeit aus.

Soweit das Testament keinen Hinweis für den Fall enthält, dass der im letzten Willen eingesetzte Erbe vor dem Erblasser verstirbt, dann ist die Erbfolge zunächst einmal ungeklärt.

Ersatzerbenbestimmung sollte in jedem Testament enthalten sein

Hilfreich – und immer zu empfehlen – ist es natürlich, wenn der Erblasser selber für den Fall des Vorversterbens des Erben vorgesorgt hat.

Man kann in einem Testament nämlich unproblematisch einen so genannten Ersatzerben benennen, der dann in den Genuss der Erbschaft kommen soll, wenn der ursprünglich bedachte Erbe, zum Beispiel wegen Vorversterbens, die Erbschaft nicht annehmen kann.

Zuweilen enthalten Testamente bzw. Erbverträge aber keinen Hinweis auf einen Ersatzerben. In diesen Fällen muss nach dem Eintritt des Erbfalls und bei vorverstorbenem Erben eine Lösung gefunden werden.

Denklogisch sind zwei Wege möglich, wie man einen solchen Fall in den Griff bekommen kann.

Gesetzliche Erbfolge oder Abkömmling des vorverstorbenen Erben als Rechtsnachfolger?

Ist das Testament nicht umsetzbar, weil der eingesetzte Erbe vorverstorben ist, dann kann man auf die Idee kommen, dass in diesem Fall der Nachlass eben nach den Grundsätzen der gesetzlichen Erbfolge verteilt werden muss.

Man kann in einem solchen Fall aber auch erwägen, ob der Erblasser die Einsetzung eines Ersatzerben nur versehentlich unterlassen hat und es dem Willen des Erblassers entsprochen hätte, dass die Abkömmlinge des vorverstorbenen Erben ersatzweise in den Genuss der Erbschaft kommen sollen.

Beide Lösungen sind möglich, führen zu einer absolut unterschiedlichen Verteilung des Nachlasses unter den Hinterbliebenen und sind dementsprechend in der Praxis Gegenstand zahlloser hoch umstrittener Gerichtsverfahren.

Gesetzliche Auslegungsregel kann helfen

Einen Hinweis, wie in Fällen eines vorverstorbenen Erben zu verfahren ist, enthält das Gesetz in § 2069 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Danach gilt folgendes:

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.

Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine gesetzliche Regel zur ergänzenden Testamentsauslegung. Soweit der Erblasser also in seinem Testament einen eigenen Abkömmling als Erben eingesetzt hatte und der Abkömmling vor dem Erblasser verstirbt, dann geht der Gesetzgeber „im Zweifel“ davon aus, dass dann die Abkömmlinge des vorverstorbenen Erben zum Zuge kommen.

Hatte der Erblasser also beispielsweise in seinem Testament seinen Sohn als alleinigen Erben benannt und ist der Sohn vorverstorben, dann haben die Kinder des Sohnes und Enkelkinder des Erblassers berechtigte Aussichten, die Erbschaft zu erhalten.

Ermittlung des tatsächlichen Erblasserwillens geht immer vor

Diese gesetzliche Auslegungsregel in § 2069 BGB ist aber kein „Muss“. Entscheidend ist immer, was der Erblasser tatsächlich wollte. Streitpotential ist im Verhältnis zu den gesetzlichen Erben trotz der Auslegungsregel in § 2069 BGB also immer gegeben.

Noch kritischer wird es, wenn der im Testament eingesetzte, aber vorverstorbene, Erbe nicht ein Abkömmling, sondern ein Seitenverwandter, z.B. ein Bruder, eine Schwester oder einen Neffen oder eine Nichte, ist.

Natürlich überlegen sich auch in solchen Fällen die Abkömmlinge des (vorverstorbenen) Testamentserben, ob nicht sie anstatt des bereits verstorbenen Erben den Nachlass erhalten sollen.

§ 2069 BGB gilt nur für Abkömmlinge

Ob auch in diesen Fällen die Abkömmlinge des vorverstorbenen Erben nachrücken, entscheidet sich nicht anhand der Norm des § 2069 BGB. Diese Regelung gilt ausdrücklich nur für vom Erblasser im Testament eingesetzte Abkömmlinge. Für sonstige Seitenverwandte oder dem Erblasser nahe stehenden Personen ist § 2069 BGB ausdrücklich nicht anwendbar.

Das heißt aber nicht, dass die Abkömmlinge des vorverstorbenen Testamentserben in diesen Fällen chancenlos wären. Tatsächlich sind Gerichte auch in diesen Fällen durch eine so genannte „ergänzende Testamentsauslegung“ zu dem Ergebnis gekommen, dass die Abkömmling des vorverstorbenen Testamentserben diejenigen sind, denen das Erbe rechtmäßig zusteht.

Es kommt am Ende immer darauf an, was der Erblasser mutmaßlich tatsächlich gewollt hat … und ob man diesen mutmaßlichen Willen einem Gericht auch glaubhaft vermitteln kann.

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