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Ehefrau vernichtet ein sie angeblich begünstigendes Testament nach dem Tod des Ehemannes – Erbschein kann nicht erteilt werden!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Frankfurt a. M. – Beschluss vom 27.12.2018 – 20 W 250/17

  • Ehefrau vernichtet gemeinsames Testament nach dem Tod ihres Ehemannes
  • Zeugen sagen vor Gericht zur Existenz des Testaments aus
  • OLG korrigiert die Entscheidung des Nachlassgerichts

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte zu entscheiden, ob sich in einem Erbfall die Erbfolge nach einem Testament richten kann, das eine Beteiligte nach dem Eintritt des Erbfalls absichtlich zerstört hatte.

In der Angelegenheit war ein Ehemann verstorben. Als mögliche gesetzliche Erben hinterließ der Erblasser seine Ehefrau und einen Sohn seines bereits vorverstorbenen Bruders.

Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Ehefrau des Erblassers bei dem zuständigen Nachlassgericht den Erlass eines Erbscheins, der sie als alleinige Erbin ihres Ehemannes ausweisen sollte.

Erbeinsetzung in gemeinsamem Ehegattentestament

Zur Begründung dieses Antrags verwies die Ehefrau auf ein Testament, das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann im Oktober 2001 errichtet habe. In diesem Testament hätten sich, so der Vortrag der Ehefrau, die Eheleute gegenseitig als alleinige Erben eingesetzt.

Weiter ließ die Ehefrau das Nachlassgericht aber wissen, dass sie dieses Testament nicht mehr vorlegen könne, da sie es nach dem Erbfall in einem Schredder vernichtet habe.

Das Testament sei, so der Vortrag der Ehefrau, nach dem Erbfall von ihr genutzt worden, um Bankkonten des Erblassers umschreiben zu lassen und das Auto des Erblassers umzumelden.

Ehefrau vernichtet das gemeinsame Testament

Nachfolgend habe sie das Testament aber  in einer psychischen Ausnahmesituation vernichtet, da sie geglaubt habe, dass sie das Testament nicht mehr benötigt.

Ihre beste Freundin und eine Reinigungshilfe hätten das Testament aber gesehen und könnten die Existenz des Testaments bezeugen.

Gegen den Erbscheinsantrag protestierte der Sohn des vorverstorbenen Bruders des Erblassers. Er vertrat die Auffassung, dass ein nicht mehr existierendes Testament schlecht über die Erbfolge bestimmen könne. In dem Erbfall gelte vielmehr die gesetzliche Erbfolge.

Nachlassgericht vernimmt Zeugen

Das Nachlassgericht vernahm daraufhin die Antragstellerin und zahlreiche Zeugen zu dem vernichteten Testament.

Das Nachlassgericht kam daraufhin zu der Überzeugung, dass sich die Erbfolge tatsächlich nach dem nicht mehr existierenden Testament richten würde und kündigte an, der Ehefrau des Erblassers den beantragten Erbschein erteilen zu wollen.

Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte der Sohn des vorverstorbenen Bruders des Erblassers Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Die Beschwerde war auch erfolgreich. Das OLG hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf und wies den Erbscheinsantrag der Ehefrau als unbegründet ab.

OLG korrigiert das Nachlassgericht

In der Begründung seiner Entscheidung verwies das OLG darauf, dass Errichtung, Form und Inhalt auch eines nicht mehr vorhandenen Testaments in einem gerichtlichen Verfahren mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden könne.

Es müsse aber durch die anderen Beweise ein Grad von Gewissheit erreicht werden, der der Vorlage des gegenständlichen Testaments entspreche.

Und genau in diesem Punkt konnte die Ehefrau das OLG nicht überzeugen, zumal das OLG zulasten der Ehefrau wertete, dass sie das Testament selber vernichtet hatte.

Entscheidend für die Entscheidung des OLG war wohl eine erneute Einvernahme der Zeugen, die die ehemalige Existenz des Testaments bestätigen sollten.

An den genauen Inhalt des Testaments konnten sich die Zeugen nämlich ebenso wenig erinnern wie an den Umstand, dass das Testament tatsächlich von beiden Eheleuten unterschrieben worden war.

Im Ergebnis konnte die Ehefrau die Errichtung eines formgültigen Ehegattentestaments nicht zur Überzeugung des Gerichts beweisen und die Erbfolge richtete sich nach dem Gesetz.

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