Erblasserin leidet an Demenz - Testament ist unwirksam

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München - Beschluss vom 01.07.2013 - 31 Wx 266/12

  • Erblasserin errichtet mehrere letztwillige Verfügungen
  • Die zeitlich späteren Testamente werden mit dem Argument angegriffen, die Erblasserin sei testierunfähig gewesen
  • Gutachten bestätigt die Testierunfähigkeit der Erblasserin

Das Oberlandesgericht München hatte im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens über die Wirksamkeit eines Testaments zu urteilen.

Die Erblasserin war im Jahr 2011 im Alter von 65 Jahren gestorben. Sie litt an der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung und lebte seit dem September 2010 nach einer stationären Behandlung in einem Pflegeheim eines Krankenhauses.

Der Ehemann der Erblasserin war bereits im Jahr 2010 verstorben.

Erblasserin hinterlässt diverse letztwillige Verfügungen

Die Erblasserin hinterließ diverse Testamente und einen Erbvertrag.

Erstmalig im Mai 1995 hatte die Erblasserin im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments gemeinsam mit ihrem Ehemann testiert. Dieses Testament sah die wechselseitige Erbeinsetzung der Eheleute und die Einsetzung des gemeinsamen Sohnes als Schlusserben vor.

Diese Erbfolgeregelung änderte die Erblasserin in den folgenden Jahren in weiteren letztwilligen Verfügungen mehrmals ab. So sah ein weiteres gemeinschaftliches Testament der Eheleute aus dem Jahr 2008 als Schlusserben eine gemeinnützige Organisation und nicht mehr den Sohn vor.

Aber auch diese Regelungen überdachte die Erblasserin nochmals und setzte in zwei notariellen Urkunden aus dem August bzw. September 2010 doch wieder ihren Sohn zu ihrem Alleinerben ein.

Notar bestätigt die Testierfähigkeit der Erblasserin

Der beurkundende Notar sah sich offenbar veranlasst, das letzte Testament der Erblasserin aus dem September 2010 mit folgender Bemerkung zu versehen: "Trotz der zittrigen Unterschrift von Frau F. bestehen an ihrer Testierfähigkeit keine Zweifel."

Gestützt auf diese Testamente beantragte der Sohn beim Nachlassgericht den Erlass eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben seiner verstorbenen Mutter ausweisen sollte.

Das Nachlassgericht stellte zur Frage der Testierfähigkeit umfangreiche Ermittlungen an. So hörte es den beurkundenden Notar, die behandelnden Ärzte, das Pflegepersonal der Erblasserin als Zeugen an und holte schließlich auch noch ein psychiatrisches Gutachten ein.

Gutachter kommt zu dem Schluss, dass die Erblasserin testierunfähig war

Nachdem der Gutachter in seiner Bewertung zu dem Ergebnis kam, dass die Erblasserin wegen eines demenziellen Syndroms weder im August noch im September 2010 in der Lage gewesen sei, die Bedeutung der von ihr errichteten Testamente zu erfassen, wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Sohnes der Erblasserin zurück.

Beide Testamente waren nach Auffassung des Nachlassgerichts unwirksam.

Gegen diese Entscheidung legte der Sohn Rechtsmittel zum Oberlandesgericht ein.

Sohn trägt vor, seine Mutter habe "lichte Momente" gehabt

Er trug vor, dass sich alleine aus dem handschriftlichen Vermerk des Notars auf dem Testament aus dem September 2010 ergebe, dass seine Mutter dieses Testament in einem "lichten Augenblick" verfasst habe und das Testament mithin wirksam sei.

Seine Mutter sei auch im Sommer 2010 zumindest zeitweise geschäfts- und testierfähig gewesen und habe sich beispielsweise auf der Beerdigung ihres Ehemannes normal mit anderen Angehörigen unterhalten können.

Das OLG nahm auf die Beschwerde hin in weitere Krankenunterlagen Einsicht und ließ auch den vom Nachlassgericht eingeschalteten Gutachter seine Aussagen nochmals überprüfen.

OLG bestätigt seine Rechtsauffassung

Nachdem der Gutachter jedoch in Anbetracht der weiteren ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen zu dem Ergebnis kam, dass seine bereits im Ausgangsprozess gestellte Diagnose nur noch zusätzlich untermauert würde, wies das OLG die Beschwerde im Ergebnis als unbegründet zurück.

Die Erblasserin sei nach den Feststellungen des Gutachters und zur Überzeugung des Gerichts nicht mehr in der Lage gewesen, selbstbestimmt zu handeln und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen.

Die Erblasserin sei insbesondere im Sommer 2010 nicht mehr in der Lage gewesen, sich einen freien Willen zu bilden. Aus der beigezogenen Krankenakte der Erblasserin ergebe sich vielmehr kognitive Defizite bei der Erblasserin, eine hohe Ablenkbarkeit, Verwirrtheit und Vergesslichkeit sowie ein "anhaltendes halluzinatorisches Erleben".

Notar hat den tatsächlichen Zustand der Erblasserin nicht erkannt

Ein bei der Erblasserin durchgeführter Mini-Mental-Status habe lediglich ein Ergebnis von 13 von 30 möglichen Punkten ergeben.

Zu der vom Notar schriftlich festgehaltenen Beobachtung, wonach an der Testierfähigkeit der Erblasserin keine Zweifel bestehen würden, merkte der vom Gericht beauftragte Sachverständige an, dass "selbst schwerste Einbußen der psychischen Funktionen … von psychiatrischen Laien oft nicht erkannt" würden.

Nachdem auch die vom Sohn eingeholten Privatgutachten das Gericht nicht von der Testierfähigkeit seiner Mutter im entscheidenden Moment der Errichtung der Testamente überzeugen konnten, wurde die Beschwerde des Sohnes kostenpflichtig abgewiesen.

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