Ehepartner errichten gemeinsames Testament bzw. einen Erbvertrag – Nach dem Tod des Ehepartners heiratet der Überlebende wieder und testiert neu …
- Bindungswirkung durch Ehegattentestament und Erbvertrag
- Anfechtungsmöglichkeit bei Neuverheiratung
- Wer kann wie lange ein Ehegattentestament anfechten?
In der Praxis kommt es bei Testamenten bzw. Erbverträgen, die von Eheleuten errichtet werden, immer wieder zu nicht unerheblichen Problemen.
Ein gemeinsames Testament bzw. ein von Eheleuten verfasster notarieller Erbvertrag hat in vielen Fällen einen ähnlichen Inhalt: Die Eheleute setzen sich für den ersten Erbfall zunächst wechselseitig zu alleinigen Erben ein.
Eheleute sichern sich wechselseitig in einem gemeinsamen Testament ab
Weiter bestimmen die Ehepartner, dass nach dem Ableben des zweiten Ehepartners die gemeinsamen Kinder Erben sein sollen.
Eine solche Erbfolgeregelung entspricht dem Wunsch der Partner, sich für den Erbfall wechselseitig abzusichern und gleichzeitig das Familienvermögen am Ende der Tage auf die gemeinsamen Kinder übergehen zu lassen.
Eine solche Regelung ist dem Grunde nach auch vernünftig. Massive Probleme können nur immer dann entstehen, wenn der überlebende Ehepartner nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehepartners auf die Idee kommt, seine Erbfolge neu und abweichend von dem existierenden Testament bzw. Erbvertrag regeln zu wollen.
Erblasser regelt seine Erbfolge neu
Oft tritt ein neuer Partner in das Leben des überlebenden Teils. Zuweilen entwickelt sich auch die Beziehung zu den eigenen Kindern im Laufe der Jahre anders als gewünscht. Gründe für eine Neuregelung der eigenen Erbfolge kann es für den überlebenden Ehepartner viele geben.
Das Problem bei einem neuen Testament des überlebenden Ehepartners ist nur häufig, dass dieses neue Testament unwirksam ist.
Von einem gemeinsamen Ehegattentestament bzw. von einem Erbvertrag geht nämlich in vielen (nicht allen!) Fällen eine Bindungswirkung aus.
Soweit die Eheleute in diesem Punkt keine Vorsorge getroffen haben, gilt oft, dass ein Widerruf des gemeinsamen Testaments bzw. des Erbvertrages nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehepartners nicht oder nur unter besonderen Voraussetzungen möglich ist, § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB, § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB.
So genannte wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinsamen Testament bzw. vertragsmäßige Verfügungen in einem Erbvertrag binden die Eheleute regelmäßig.
Zeitlich späteres Testament kann unwirksam sein
In der Praxis wirkt sich diese Bindungswirkung oft (nicht immer!) dergestalt aus, dass ein zeitlich späteres Testament des überlebenden Ehepartners keine Wirkung entfalten kann.
Sind in dem gemeinsamen Testament beispielsweise die gemeinsamen Kinder bindend als Schlusserben eingesetzt und ändert der überlebende Ehepartner diese Erbfolgeregelung in einem zeitlich späteren Testament ab und setzt seinen neuen Lebenspartner als Erben ein, dann wird der neue Lebenspartner im Erbfall oft das Nachsehen haben.
Es gilt jedoch auch hier: Keine Regel ohne Ausnahme!
Der überlebende Ehepartner hat es nämlich selber zu Lebzeiten unter Umständen in der Hand, der Bindungswirkung des bestehenden Ehegattentestaments bzw. Erbvertrages zu entgehen.
Der überlebende Ehepartner kann der Bindung entkommen
Zum einen kann der überlebende Partner seine Erbschaft nach dem Tod des zuerst versterbenden Partners ausschlagen, § 2271 Abs. 2 BGB. Weiter hat der überlebende Partner insbesondere nach einer Neuverheiratung die Möglichkeit, das eigene Testament nach §§ 2078, 2079 BGB anzufechten. Nach einer - berechtigten - Anfechtung erlangt der Erblasser seine Testierfreiheit wieder.
Oft nutzen Erblasser aber die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel aber nicht, um den Bindungen des gemeinsamen Testaments bzw. des Erbvertrages zu entkommen.
Vielmehr stehen insbesondere die neuen Ehepartner häufig vor der Situation, dass sie zwar in einem neuen Testament begünstigt wurden, die Begünstigten aus dem ersten Ehegattentestament bzw. Erbvertrag dem neuen Ehepartner diese Rechtsstellung aber bestreiten.
Eigenes Anfechtungsrecht für den neuen Ehepartner
In diesen Fällen sollte immer geprüft werden, ob dem neuen Ehepartner nicht ein eigenes Anfechtungsrecht nach § 2079 BGB zusteht. Nach § 2079 BGB kann ein Testament bzw. ein Erbvertrag immer dann angefochten werden, wenn der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten in seinem letzten Willen unbeabsichtigt übergangen hat.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2079 BGB werden bei einer Neuverheiratung des überlebenden Partners in aller Regel gegeben sein.
Problematisch in Zusammenhang mit einer Anfechtung des Testaments durch den neuen Ehepartner nach § 2079 BGB kann lediglich die Vorschrift des § 2285 BGB werden. Nach § 2285 BGB erlischt nämlich das Anfechtungsrecht des neuen Ehepartners mit dem Anfechtungsrecht des Erblassers selber.
In der Praxis bedeutet das: Hat der Erblasser (wie häufig) die Anfechtung nicht binnen Jahresfrist nach Eingehen der neuen Ehe geschlossen, kann auch das Anfechtungsrecht des neuen Ehepartners nach § 2079 BGB gemäß § 2285 BGB erloschen sein.
Wie lange kann eine Anfechtung erklärt werden?
Aber auch in diesen Fällen des Fristablaufs kann dem neuen Ehepartner gegebenenfalls geholfen werden:
Voraussetzung für ein Erlöschen des Anfechtungsrechts ist nämlich, dass die Einjahresfrist für die Anfechtung überhaupt zu laufen begonnen hat.
Der Lauf dieser Frist beginnt mit Kenntnis des Erblassers davon, dass ein ehedem unbekannter Pflichtteilsberechtigter existiert und dass dieser bei der ursprünglichen Verfügung nicht bedacht wurde.
Die Jahresfrist beginnt aber nach vorliegender Rechtsprechung dann nicht zu laufen, wenn der Erblasser zwar Kenntnis von der früheren Verfügung hat, sich aber nicht über die von dieser Verfügung ausgehenden Bindungswirkung bewusst war.
In diesem Zusammenhang hat beispielsweise das BayObLG in einem Beschluss vom 28.04.1992, Az. 1Z BR 17/92, folgendes ausgeführt:
„Die Jahresfrist … ist eingehalten, da diese Frist erst mit dem Tod des Erblassers … in Lauf gesetzt wurde.
Auch § 2285 i.V.m. § 2283 Abs. 1 und 2 BGB steht der Anfechtung nicht entgegen, weil das Anfechtungsrecht des Erblassers zur Zeit des Erbfalls wegen eines beachtlichen Irrtums noch nicht erloschen war.
Zwar unterliegt das Anfechtungsrecht der Beteiligten zu 2 als Pflichtteilsberechtigter (§ 2079, 2080 Abs. 1 BGB), da es wechselbezügliche Verfügungen des zuletzt verstorbenen Ehegatten betrifft, der Einschränkung des § 2285 BGB … .
Danach kann ein Dritter die letztwillige Verfügung nicht mehr anfechten, wenn der zuletzt verstorbene Ehegatte das Recht, die Verfügung aus demselben Grund anzufechten, verloren hat … .
Die danach für den anfechtungsberechtigten Erblasser geltende einjährige Ausschlußfrist (§ 2283 Abs. 1 und 2 BGB), die mit Kenntnis aller für das Anfechtungsrecht wesentlichen Tatsachen beginnt … , war hier deshalb nicht abgelaufen, weil der Erblasser sich in einem beachtlichen Irrtum über eine Tatsache befand, die ihn zur Anfechtung seiner Verfügung berechtigt hätte.
Der Erblasser ist nämlich ersichtlich davon ausgegangen, daß seine im gemeinschaftlichen Testament enthaltene Schlußerbeneinsetzung des Beteiligten zu 1 ungültig geworden sei.“
Gibt es also Anhaltspunkte dafür, dass sich der zunächst überlebende Ehepartner in Bezug auf die Bindungswirkung des ersten Ehegattentestaments bzw. Erbvertrages geirrt hat, kann eine Anfechtung dieses letzen Willens auch noch Jahrzehnte nachdem der Erblasser seine zweite Ehe geschlossen hat, möglich sein.
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