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Wenn ein Sachverständiger nicht objektiv ist, kann er wegen Befangenheit abgelehnt werden!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Gerichte benötigen oft das Fachwissen von Sachverständigen
  • Ein Sachverständiger muss objektiv und unvoreingenommen sein
  • Zweifel an der Unparteilichkeit eines Sachverständigen rechtfertigen eine Ablehnung wegen Befangenheit

Manchmal muss ein Richter für eine Entscheidung auf das Fachwissen eines Sachverständigen zurückgreifen.

Im Allgemeinen wissen Richter zwar sehr viel, zuweilen stoßen sie aber auch an Grenzen und benötigen zur Entscheidungsfindung Unterstützung von Dritter Seite.

Ein klassischer Fall im Bereich des Erbrechts, in dem ein Nachlassrichter auf die Hilfe durch einen Sachverständigen angewiesen ist, ist die posthume Klärung der Frage, ob ein Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seines Testaments überhaupt noch testierfähig war.

Oft brauchen Gerichte einen Sachverständigen

Sobald einer der am Verfahren Beteiligten zu diesem Punkt belastbare Hinweise für eine Testierunfähigkeit des Erblassers vorgetragen hat, kommt ein Nachlassrichter in aller Regel nicht daran vorbei, einen Gutachter einzuschalten.

Gerichte beauftragen dabei oft immer wieder dieselben Gutachter.

Das sind in der Regel Sachverständige, die ihre Aufträge zeitnah und in angemessener Qualität abarbeiten und sich daher bei den Gerichten eine Art Vertrauensbonus erarbeitet haben.

Richter und Sachverständige kennen sich in aller Regel

In den Urteilen, die auf Grundlage eines solchen bei den Gerichten etablierten Sachverständigen ergehen, kann man die Wertschätzung des betroffenen Gerichts für den Sachverständigen dann manchmal auch direkt der jeweiligen Entscheidung entnehmen.

Werden nämlich von einer Seite Einwände gegen die Erwägungen des Sachverständigen erhoben, dann verweisen Gerichte zuweilen zur Einleitung der Entscheidungsbegründung auf die

„plausibel und nachvollziehbar begründeten Feststellungen des gerichtsbekannt auf dem einschlägigen Gebiet fachkundigen, zuverlässigen und unparteiischen Sachverständigen.“

Bei einem Gutachter, der dermaßen gleich mit sieben positiven Attributen von einem Gericht geadelt wird, verbietet sich eigentlich jede Kritik an den Aussagen des Sachverständigen.

Auch ein erfahrener Sachverständiger macht Fehler

Ist man als Betroffener vor Gericht mit einer solchen Gutachterkoryphäe konfrontiert, dann sollte man sich allerdings nicht ins Bockshorn jagen lassen.

Auch Gutachter sind nur Menschen, Gutachter machen Fehler, übersehen entscheidungserheblichen Sachverhalt und werten Fakten nicht objektiv, sondern manchmal höchst ergebnisorientiert.

Und zuweilen übertreiben es Sachverständige in ihrem Bestreben, ihr im Gutachten gefundenes Votum zu verteidigen, deutlich.

Spekulationen können ein Gutachten nicht stützen

Wenn man als Betroffener dann mit immer wilderen und manchmal rein spekulativen Aussagen des Sachverständigen konfrontiert wird, dann sollte man aber immer daran denken, dass ein Gutachter, der Anlass zur Sorge gibt, dass er befangen ist, nach §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO, 30 Abs. 1 FamFG abgelehnt werden kann.

Wenn demnach nachweisbar ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen, dann ist der betroffene Gutachter raus.

Solche Befangenheitsanträge gegen Sachverständige gehen regelmäßig dann durch, wenn der Gerichtssachverständige in der Sache bereits außerhalb des Gerichtsverfahrens tätig war oder sonst wie Beziehungen zu einer der Parteien hatte.

Mangelnde Qualität eines Gutachtens hat nichts mit Befangenheit des Gutachters zu tun

Wenig Erfolg versprechend sind hingegen Befangenheitsanträge, die sich alleine auf die Behauptung stützen, dass das vorliegende Gutachten fehlerhaft und von mangelnder Qualität ist.

Hingegen wurde einem gegen einen Gutachter gerichteten Befangenheitsantrag in der Vergangenheit bereits aus dem Grund stattgegeben, da der Gutachter in dem Verfahren eine einseitige Bewertung eines Umstandes vorgenommen hatte, obwohl ihm für diese Bewertung jedes „objektive Beweismittel oder eigene konkrete Erkenntnisse“ fehlten (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.11.2015, 18 UF 99/15).

Jeder Gutachter, der sich demnach ohne belastbare Hinweise in den Bereich der Spekulation begibt und auf diesem Weg das Ergebnis seines Gutachtens rechtfertigen will, wandelt demnach auf extrem dünnen Eis.

Sicht des Betroffenen ist entscheidend

Hinzu kommt, dass es bei einem Befangenheitsantrag nicht darauf ankommt, ob der Sachverständige tatsächlich parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat.

Entscheidend ist vielmehr alleine, wenn „vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung genügend objektive Gründe vorliegen, die Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und Objektivität des Sachverständigen geben (BGH, Urteil vom 15.04.1975, X ZR 52/75).

Wenn demnach das Gericht aus Sicht des Betroffenen die vorgetragenen Befangenheitsgründe nachvollziehen kann, dann ist der Sachverständige von seiner Aufgabe zu entbinden.

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