Erblasserin setzt eines ihrer zwei Kinder durch Testament als Alleinerben ein, damit das Familienheim erhalten bleibt – Nach dem Erbfall verkauft der Alleinerbe die Immobilie und das weitere enterbte Kind erklärt die Anfechtung des Testaments!
LG Wuppertal – Urteil vom 05.12.2022 – 2 O 317/21
- Mutter setzt ihren Sohn mit einer bestimmten Erwartung durch Testament zu ihrem Alleinerben ein
- Der Sohn enttäuscht diese Erwartung seiner Mutter
- Die Tochter erklärt daraufhin die Anfechtung des Testaments
Das Landgericht Wuppertal hatte nach einer Testamentsanfechtung die Erbfolge nach dem Tod der Mutter zweier Kinder zu klären.
In der Angelegenheit war eine verwitwete Mutter zweier Kinder im Jahr 2020 verstorben.
Die Erblasserin hatte am 15.12.2002 ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt errichtet:
„Mein Sohn soll Erbe sein. Meine Tochter soll ihren Pflichtteil erhalten. Das ist nicht als Straf- oder Benachteiligungsaktion zu sehen. Aber dieser Weg ist die einzige Möglichkeit, ablaufmäßig und verfahrenstechnisch zu gewährleisten, dass der Sohn unser Wohnhaus, das eine Belastung ist, erhalten kann. Ein Verschleudern müssen wollten wir nicht.“
Nach dem Eintritt des Erbfalls beantragte und erhielt der Sohn einen Erbschein, der ihn auf Grundlage des Testaments der gemeinsamen Mutter als alleinigen Erben auswies.
Bruder will seiner Schwester den Pflichtteil auszahlen
In der Folge einigte sich der Sohn der Erblasserin mit seiner Schwester im März 2021 auf einen Gesamtnachlasswert in Höhe von 743.779 Euro und berechneten auf dieser Grundlage den Pflichtteil der Tochter der Erblasserin.
Bereits im Februar 2021 hatte der Sohn der Erblasserin den Entschluss gefasst, das geerbte Familienheim zu veräußern.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 26.03.2021 verkaufte der Sohn der Erblasserin die Immobilie dann auch zu einem Preis in Höhe von 819.000 Euro an einen Dritten.
Schwester erklärt die Anfechtung des Testaments
Die Tochter der Erblasserin fühlte sich durch die Veräußerung der Immobilie durch ihren Bruder hintergangen und erklärte mit Schreiben vom 02.11.2021 die Anfechtung des Testaments ihrer Mutter aus dem Jahr 2002.
Die Tochter begründete die Testamentsanfechtung mit dem Argument, dass ihre Mutter dem Irrtum unterlegen sei, dass durch die Erbeinsetzung ihres Bruders sichergestellt sei, dass die Immobilie im Familienbesitz bleiben werde.
Nachdem sich die Parteien nicht einigen konnten, ging die Sache zu Gericht.
Landgericht gibt der Klage statt
Das Landgericht gab der Klage der Tochter der Erblasserin statt und stellte fest, dass Sohn und Tochter je hälftige Erben der Erblasserin geworden seien.
Das Landgericht wies in seinem Urteil darauf hin, dass es die Anfechtung des Testaments durch die Tochter der Erblasserin für gerechtfertigt hielt.
Ein Testament könne angefochten werden, wenn der Erblasser das Testament in der irrigen Annahme oder Erwartung des Eintritts eines Umstandes errichtet habe.
Die Erblasserin hatte bei Errichtung ihres Testaments eine ganz bestimmte Erwartung
Im zu entscheidenden Fall sei die Erblasserin bei Errichtung des Testaments davon ausgegangen, dass das Familienheim von ihrem Sohn als alleinigem Erben erhalten und insbesondere nicht verkauft wird.
Dieser Wille der Erblasserin sei auch in ihrem Testament zum Ausdruck gekommen.
Damit sei die Erblasserin aber einem Motivirrtum unterlegen, der ihre Tochter nach dem Eintritt des Erbfalls zur Anfechtung berechtige.
Im Ergebnis war das Testament nach der von der Tochter der Erblasserin erklärten Anfechtung unwirksam und die beiden Geschwister wurden gesetzliche Erben zu je einhalb.
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