Späterer Erblasser setzt seinen Lebensgefährten durch Testament als Erben ein – Ist das Testament anfechtbar, wenn der Lebensgefährte vor dem Erbfall einen anderen Mann heiratet?
OLG Oldenburg – Beschluss vom 26.09.2022 – 3 W 55/22
- Erblasser setzt Lebensgefährten in Testament als Erbe ein
- Später erkrankt der Erblasser an Demenz – Der Lebensgefährte heiratet daraufhin einen anderen Mann
- Tochter des Erblassers will das Testament ihres Vaters wegen eines Motivirrtums anfechten
Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte sich mit einer Testamentsanfechtung zu beschäftigen.
In der Angelegenheit war der Erblasser geschieden und hatte eine Tochter.
Am 05.06.2005 hatte der Erblasser ein Testament errichtet. In diesem Testament hatte der Erblasser seine Tochter und seinen Lebensgefährten, mit dem er damals zusammen lebte, als Erben zu je ½ eingesetzt.
Erblasser erkrankt schwer an Demenz
Im Oktober 2016 wurde der Erblasser aufgrund weit fortgeschrittener Demenz zunächst in ein Krankenhaus und dann stationär in eine Pflegeeinrichtung eingeliefert.
Im Jahr 2021 verstarb der Erblasser.
Bereits im August 2020 hatte der ehemalige und im Testament des Erblassers als Erbe eingesetzte Lebensgefährte einen neuen Partner geheiratet.
Lebensgefährte beantragt einen Erbschein
Nach dem Ableben des Erblassers beantragte der ehemalige Lebensgefährte des Erblassers einen Erbschein, der ihn auf Grundlage des Testaments neben der Tochter des Erblassers als Erben ausweisen sollte.
Die Tochter reagierte auf diesen Erbscheinsantrag mit einer Anfechtung des Testaments nach § 2078 BGB.
Die Tochter des Erblassers begründete diese Anfechtung mit der Erwägung, dass ihr Vater bei der Errichtung seines Testaments im Jahr 2005 einem Irrtum unterlegen wäre.
Unterlag der Erblasser bei der Abfassung seines Testaments einem Irrtum?
Hätte ihr Vater nämlich seinerzeit gewusst, dass sich sein Lebensgefährte von ihm abwendet und einen anderen Mann heiratet, hätte ihr Vater seinen Lebensgefährten im Testament nicht als Erben eingesetzt.
Das Nachlassgericht war von dieser Argumentation der Tochter des Erblassers nicht überzeugt und kündigte an, den vom ehemaligen Lebenspartner des Erblassers beantragten Erbschein erlassen zu wollen.
Gegen diese Entscheidung legte die Tochter des Erblassers Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Das OLG wies die Beschwerde als unbegründet ab.
OLG: Testamentsanfechtung ist nicht begründet
Das OLG wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass die Testamentsanfechtung der Tochter des Erblassers nicht begründet sei und sich die Erbfolge damit nach dem Testament aus dem Jahr 2005 richten würde.
Anders als von der Tochter des Erblassers vorgetragen ergebe auch eine Auslegung des Testaments nicht dass der Erblasser seinen damaligen Lebenspartner nur unter der Bedingung als Erben einsetzen wollte, dass sich sein Lebenspartner nicht neu verheiratet.
Auch das Vorliegen eines Motivirrtums beim Erblasser konnte das OLG nicht feststellen.
Kein relevanter Motivirrtum beim Erblasser feststellbar
Nach § 2078 Abs. 2 BGB könne ein Testament zwar dann angefochten werden, wenn „der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands bestimmt worden ist.“
Es müsse für eine wirksame Testamentsanfechtung aber festgestellt werden, dass der fragliche Irrtum für das Testament „bestimmend oder zumindest derartig mitbestimmend gewesen ist, dass der Erblasser diese ohne die irrige Vorstellung nicht getroffen hätte.“
Diese Voraussetzung sah das OLG im zu entscheidenden Fall nicht als gegeben.
Vielmehr erkannte das OLG vorliegend einen hypothetischen hypothetischen Willen des Erblassers, seinen Lebensgefährten selbst für den Fall als Erben zu bedenken, wenn sich der Lebensgefährte später einem anderen Mann zuwendet, weil die ehemalige Lebenspartnerschaft deswegen nicht fortgesetzt werden kann, da der Erblasser unheilbar und schwer an Demenz erkrankt sei.
Ehemaliger Lebenspartner bleibt Erbe kraft Testament
Die Lebenspartnerschaft zwischen Erblasser und seinem Lebenspartner sei nicht daran gescheitert, weil sich der Lebenspartner vom Erblasser abgewendet hätte, sondern weil der Erblasser an Demenz erkrankt sei.
Es sei daher nicht davon auszugehen, dass der Erblasser anders testiert hätte, wenn er von seiner Demenzerkrankung gewusst hätte.
Im Ergebnis blieben der ehemalige Lebensgefährte des Erblassers und die Tochter des Erblassers damit hälftige Erben.
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