Erbin gibt nach dem Erbfall zwei Testamente des Erblassers nicht beim Nachlassgericht ab und kommt mit einem blauen Auge davon!
OLG Hamburg – Urteil vom 09.09.2021 – 2 U 9/21
- Erbin liefert nach dem Erbfall zwei Testamente nicht beim Nachlassgericht ab
- Eine weitere Beteiligte sieht sich dadurch getäuscht und klagt auf Schadensersatz
- Gericht glaubt der Erbin, dass sie nichts von ihrer Ablieferungspflicht wusste
Das Oberlandesgericht Hamburg hatte sich mit der Ablieferungspflicht eines Testamentsbesitzers zu beschäftigen.
In der Angelegenheit hatte ein am 03.09.2018 verstorbener Erblasser drei Testamente hinterlassen.
Dabei handelte es sich um zwei handschriftliche Testamente aus den Jahren 2006 und 2008 und ein in amtliche Verwahrung gegebenes notarielles Testament aus dem Jahr 2012.
Die Ehefrau soll alleinige Erbin werden
In allen drei Testamenten war die zweite Ehefrau des Erblassers als alleinige Erbin ausgewiesen.
Eine Tochter des Erblassers aus erster Ehe, die in Kanada lebte, war damit von der Erbfolge ausgeschlossen und war Pflichtteilsberechtigte.
Die zeitlich früheren Testamente aus den Jahren 2006 und 2008 enthielten Angaben zur Zusammensetzung und damit mittelbar zu dem Wert des Nachlasses.
Ehefrau nimmt zwei Testamente des Erblassers in Besitz
Vor dem Ableben des Erblassers hatte die als Alleinerbin eingesetzte zweite Ehefrau die beiden Testamente aus den Jahren 2006 und 2008 gefunden und in Besitz genommen.
Nach dem Ableben des Erblassers wurde das notarielle Testament des Erblassers am 27.09.2018 vom Nachlassgericht eröffnet.
Die beiden privaten Testamente des Erblassers wurden von der Ehefrau nicht beim Nachlassgericht abgegeben.
Tochter klagt vor Gericht ihren Pflichtteil ein
Nachfolgend stritten sich die Tochter und die Ehefrau des Erblassers vor Gericht um die Höhe des der Tochter zustehenden Pflichtteils.
Anfang 2019 entschloss sich die Tochter des Erblassers dann, das notarielle Testament ihres Vaters mit dem Argument anzufechten, dass ihr Vater im Jahr 2012 testierunfähig gewesen sei.
In diesem Zusammenhang holte die Tochter ärztliche Auskünfte und Unterlagen über den Gesundheitszustand des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung seines letzten Testaments ein.
Die Testamente werden dem Anwalt der Ehefrau übergeben
Von diesen Aktivitäten der Tochter bekam die Ehefrau Wind, begab sich zu ihrem Anwalt und übergab diesem im Juni 2019 die beiden zeitlich früheren Testamente.
Gleichzeitig beantragte die Tochter mit Hinweis auf die Unwirksamkeit des Testaments aus dem Jahr 2012 beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Erbin zu ½ nach ihrem Vater ausweisen sollte.
Anfang August gab der Anwalt der Ehefrau dieser die Testamente zurück und wies sie darauf hin, dass die Testamente beim Nachlassgericht abgegeben werden müssten.
Testamente werden beim Nachlassgericht abgeliefert
Diesem Rat kam die Ehefrau unverzüglich nach und daraufhin wurden auch die beiden zeitlich früheren Testamente vom Nachlassgericht eröffnet.
Die Tochter erkannte in Anbetracht der beiden neu aufgetauchten Testamente die Sinnlosigkeit ihres Erbscheinantrages und nahm diesen im September 2019 zurück.
Die Tochter wollte das Verhalten der Ehefrau aber nicht einfach kommentarlos hinnehmen, sondern verklagte die Ehefrau wegen der zurückgehaltenen Testamente auf Schadensersatz in Höhe von 11.773,44 Euro.
Tochter des Erblassers fordert Schadensersatz
Die geforderte Schadenssumme setzte sich Kosten für einen Flug von Kanada nach Deustchland, Rechtsanwaltskosten für die Vertretung im Erbscheinsverfahren, Notarkosten für die Beurkundung des Erbscheinantrages und Gerichtskosten für das Erbscheinverfahren zusammen.
Die Tochter trug zur Begründung ihrer Klage vor, dass ihr die Kosten nur deswegen entstanden seien, da die Ehefrau des Erblassers gegen ihre Pflicht die zwei Testamente nicht beim Nachlassgericht abgegeben hätte.
Das in erster Instanz angerufene Landgericht gab der Klage lediglich in Höhe von 1.717,25 Euro statt und sprach der Tochter des Erblassers lediglich einen Ersatz für entstandene Notar- und Gerichtsgebühren zu.
Tochter legt Berufung zum OLG ein
Gegen diese Entscheidung legte die Tochter des Erblassers Berufung zum Oberlandesgericht ein.
Das OLG änderte daraufhin das Urteil aus erster Instanz ab und wies die Klage der Tochter des Erblassers insgesamt als unbegründet ab.
Das OLG begründete sein Urteil mit der Erwägung, dass der Ehefrau des Erblassers kein für einen Schadensersatzanspruch erforderliches Verschulden vorzuwerfen sei.
Die Beklagte habe gegen ihre Pflicht, die Testamente bei Gericht abzuliefern, weder vorsätzlich noch fahrlässig verstoßen.
Tochter konnte schuldhaftes Handeln der Ehefrau nicht beweisen
Die Tochter des Erblassers habe, so das OLG, am Ende nicht beweisen können, dass die Ehefrau des Erblassers von Ihrer Ablieferungspflicht wusste.
Die Richter am OLG schenkten der Aussage der Ehefrau des Erblassers dabei Glauben, dass sie davon ausgegangen sei, dass „es auf die beiden Testamente aus 2006 und 2008 nicht ankäme, weil dem Nachlassgericht das hinsichtlich der Erbfolge gleich lautende notarielle Testament aus 2012 vorgelegen habe.“
Im Ergebnis blieb der Tochter des Erblassers damit lediglich ihr Pflichtteilsanspruch.
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