Vollziehung eines Erbschaftsteuerbescheids muss von den Finanzbehörden nicht wegen bestehender Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG ausgesetzt werden
BVerfG – Beschluss vom 24.10.2011 – 1 BvR 1848/11
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich – wieder einmal – mit dem Anfang 2009 in veränderter Form in Kraft getretenen Erbschaftsteuergesetz zu beschäftigen.
Das zum 01.01.2009 neu gefasste Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts versuchte einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2006 umzusetzen. Wesentliche Teile insbesondere des Bewertungsrechts mussten nach dem dictum des obersten deutschen Gerichts abgeändert werden.
Bei einem so heiklen und umstrittenen Rechtsgebiet wie dem Erbschaftsteuerrecht ist es allerdings nicht verwunderlich, dass sich bereits mit Inkrafttreten des reformierten Gesetzes Stimmen meldeten, die die Verfassungsmäßigkeit auch des reformierten Erbschaftsteuerrechts in Frage zogen. De facto sind derzeit beim Bundesverfassungsgericht mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das neue Erbschaftsteuergesetz anhängig. Die Kläger tragen hier insbesondere vor, dass das Reformgesetz die Vorgaben aus dem Beschluss des BVerfG aus dem Jahr 2006 nicht grundgesetzkonform umsetzen.
Ob das im Jahr 2009 in Kraft getretene Erbschaftsteuerrecht eine Überprüfung durch das BVerfG übersteht, wird die Zukunft zeigen.
Bis zu einer Entscheidung wird allerdings das bestehende Recht von der Finanzverwaltung und auch den Finanzgerichten angewendet und vollzogen. Und hierin sah der Beschwerdeführer in dem vom BVerfG entschiedenen Fall ein Problem. Er hatte nämlich bei den Finanzbehörden die Aussetzung der Vollziehung des ihn betreffenden Erbschaftsteuerbescheids beantragt, bis die Verfassungsmäßigkeit des neuen Rechts vom BVerfG geklärt ist. Mit anderen Worten: Der Beschwerdeführer wollte solange nicht bezahlen, als die Frage der Grundgesetzkonformität des geltenden Erbschaftsteuerrechts nicht vom BVerfG nicht geklärt ist.
Die Finanzbehörden und auch das vom Beschwerdeführer angerufene Finanzgericht wollten dem allerdings nicht folgen. Sie lehnten eine Aussetzung der Vollziehung des Bescheids mit Hinweis auf Rechtsprechung des BFH (Bundesfinanzhof) ab. Danach ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids, der mit Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes begründet wird, abzulehnen, wenn „dem Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsshutzes kein Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an dem Vollzug des Gesetzes“ zukommt. Diese von den Finanzgerichten vorgenommene Abwägung sei, so das BVerfG, mit der aus Art 19 Abs. 4 GG (Grundgesetz) resultierenden Garantie eines effektiven Rechtsschutzes vereinbar.
Im vorliegenden Fall kam für den Beschwerdeführer erschwerend hinzu, dass der Beschwerdeführer offenbar bloß pauschal die Verfassungswidrigkeit des geltenden Erbschaftsteuerrechts behauptete, ohne hier ins Detail zu gehen. Ebenso vermissten die Richter Aussagen des Beschwerdeführers, warum ihm die (auch vorläufige) Begleichung der Erbschaftsteuer nicht möglich sei, wenn sich im Nachlass doch erhebliche liquide Geldmittel befanden.
Im Ergebnis wurde die Verfassungsbeschwerde daher abgewiesen. Der Erbschaftsteuerbescheid blieb sofort vollziehbar und war vom Beschwerdeführer zu begleichen.
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